Zwischen zwei Welten
Verfasst: Di 10. Jan 2023, 14:34
Hallo in die Runde,
ich stelle mich mal kurz vor, warum ich mich hier angemeldet habe: ich bin männlich, gerade 63 Jahre „alt“ geworden und lebe in Süddeutschland. Wie ich mich inzwischen so eingelesen habe, darf ich mich vermutlich auch zu den Leuten mit persönlicher BID-Thematik dazurechnen. Eigentlich dachte ich früher mal, dass ich eher zur Fraktion Amelo/Mancophile (lt. Definition von I.Martin) gehöre, was sicher in großen Abschnitten meines Lebens zutraf. Dennoch in meiner biographischen Gesamtschau wäre das vermutlich eine ziemlich verengte Sichtweise. Irgendwie kann ich mich evtl auch hier "einsortieren". Vielleicht ist das auch garnicht so wichtig, aber in unserem Land braucht man halt Schubladen ...
Ich meine, es ist für mich zumindest schwierig, hier eine scharfe Grenze zu definieren, da es meiner persönlichen Erfahrung nach in diesem gesamten Bereich diverse Berührungspunkte und Überschneidungen gibt. Wenn ich mal in der Eigenerinnerung gaaanz weit zurückspule und in meinen Erinnerungsarchiven krame, gab es bei mir schon im Alter ab ca. drei Jahren aufwärts mehrere sog. "Schlüsselerlebnisse", welche nicht nur meine Zugeneigtheit zu Menschen mit körperlichen Behinderungen stark geprägt hatten, sondern mir auch erste Gefühle und Wünsche beschert hatten, selbst auch eine Behinderung haben zu wollen. Eigentlich waren diese sog. „sightings“ aus heutiger Sicht betrachtet, meine ersten bewussten Einstiege in beide Phänomene - Mancophile und BID gleichermaßen gewesen: zum einen die Faszination welche Leute mit Amputationen oder irgendwie anderweitig fehlenden, deformierten oder nicht funktionierenden Gliedmaßen aller Art auf mich ausgeübt hatten und andererseits der damals schon aufkeimende eigene Wunsch, selbst zu dieser präferierten Menschengruppe dazugehören zu dürfen.
In der Kindheit und Jugendzeit war dies alles aber noch nicht sehr ausdifferenziert und entwickelt gewesen. Obwohl ich mich gut erinnern kann, auch damals auch schon „pretendet“ zu haben - ich simulierte entweder einarmige Menschen, was recht einfach war (Arm ins Hemd stecken) oder aber am Liebsten schon Einbeinige, was als Kind schon schwieriger war darzustellen, mangels richtiger Krücken. Aber passende Stöcke zu basteln ging ja auch. Und ein Bein hochzubinden und in die Hose zu stecken, war auch nicht schwer. Sogar doppelt beinamputiert zu spielen ging, was ich besonders gerne machte. Letztlich war das schon ein Vorgriff auf meine heutige Interessenslage. Interessante Feststellung war dabei, dass die meisten Spielkameraden*innen solche „Spiele“ nicht mitmachen wollten bzw. das alles zumindest seltsam fanden. Auch meine Eltern regten sich ziemlich auf und erklärten mir, dass „man sowas nicht machen darf“, weil man gefälligst froh zu sein hatte, noch komplette Gliedmaßen zu haben. Heute ist mir diese damalige Begründung eher noch verständlich, dass man sagte, dass sich solche „Spiele“ nicht gehörten, vor allem, weil es damals noch relativ viele Kriegsversehrte gegeben hatte, die sich mit ihren knarzenden Holz-Prothesen, auf ledernen Rutschkissen oder riesigen Rollwagen vorwärts bewegten. Und die erste Polioseuche rollte auch schon durchs Land.
In der Grundschule hatten wir dann auch prompt in meiner Klasse einen Jungen mit Polioschäden an den Beinen und den damals unvermeidlichen ledernen Beinhülsen und verchromten Metallschienen und zwei Krücken! Was habe ich den beneidet, so wollte ich auch unbedingt daherkommen! Natürlich habe ich mich mit ihm angefreundet. Leider war er oft krank und musste in Heilkliniken zur Kur.
Auf jeden Fall lernte ich damals nebenher schnell, dass es wohl ratsamer war, meine Faszination bzgl. körperlicher Behinderungen lieber für mich zu behalten, was ich jahrelang auch konsequent praktiziert hatte. Wer mag schon immer als seltsam und schräg auffallen. Dennoch war der Samen für das heute schon gelegt und aufgegangen. Wobei es von Anfang an so war, wenn ich mich zu den BIDlern zählen will, dann sind es bei mir ausschließlich immer meine Beine gewesen, welche betroffen sind. Zuerst war es nur das linke Bein, das ich am liebsten ganz entfernt haben wollte, am Besten mit einem Kurzstumpf, welcher nicht prothesenfähig sein sollte - wenn schon, denn schon. In dieser Hinsicht war ich immer schon kompromisslos gewesen. Im Lauf der Jahre erweiterte sich das Phänomen. Folglich war der starke Wunsch entstanden, und darum wollte ich doppelt oberschenkelamputiert sein, mit einer Kurzstumpfversorgung ohne Prothesen und im Rollstuhl.
Um es jetzt etwas abzukürzen: Was hat das alles nun mit meinem BID zu tun? Subjektiv ziemlich viel. Denn meine heutig aktuell bestehende Wunschprojektion entweder radikal ein Ohnbeiner (beidseitige Hüftexartikulation, Rollstuhl, keine Prothesen, dafür Beckensitzkorb mit Minihandkrücken) zu sein oder zuletzt noch besser, zwei ziemlich kurze, deformierte Beine mit verkrüppelten Spalt-/Klumpfüßen zu haben, mit denen ich kaum mehr laufen kann und mich nur mithilfe von Achselkrücken, Orthesen oder Rollstuhl fortbewegen zu können, hat sich seit damals stetig fortentwickelt. Also das ist der derzeitige Stand meines Prozesses. Eine Realisierung strebe ich heute aber nicht mehr an, denn ich fühle mich leider schon etwas zu alt dazu und habe mich mit mir und meiner Veranlagung, Erkrankung (?), Prädispostion, Präferenz oder wie man es auch nennen mag, längst schon abgefunden und versöhnt. Ich habe das offenbar als Aufgabe zugeteilt bekommen und bin so geworden und komme inzwischen ganz gut damit klar. Dennoch ist es ein täglich präsentes Thema, aber es ist keine bleischwere Belastung mehr, wie in ganz früheren Zeiten. Außerdem wissen meine wichtigsten Bezugspersonen (Partnerin) Bescheid und haben zum Glück auch kein beonderes Problem damit. Wäre ich allerdings um Einiges jünger, reicher und wagemutiger würde ich aber vielleicht doch schauen, ob da noch was in Richtung Bodymodification zu erreichen wäre. Der Reiz wäre auf jeden Fall vorhanden. Aber auch hin- und wieder zu Pretenden oder sogar Photoshop kann etwas Entlastung bringen ...
So, das sollte erstmal für den Einstieg reichen. Mal sehen, ob mein etwas deviantes Thema überhaupt von Interesse ist.
Beste Grüße an alle Sehnsüchtigen, haltet durch!
ich stelle mich mal kurz vor, warum ich mich hier angemeldet habe: ich bin männlich, gerade 63 Jahre „alt“ geworden und lebe in Süddeutschland. Wie ich mich inzwischen so eingelesen habe, darf ich mich vermutlich auch zu den Leuten mit persönlicher BID-Thematik dazurechnen. Eigentlich dachte ich früher mal, dass ich eher zur Fraktion Amelo/Mancophile (lt. Definition von I.Martin) gehöre, was sicher in großen Abschnitten meines Lebens zutraf. Dennoch in meiner biographischen Gesamtschau wäre das vermutlich eine ziemlich verengte Sichtweise. Irgendwie kann ich mich evtl auch hier "einsortieren". Vielleicht ist das auch garnicht so wichtig, aber in unserem Land braucht man halt Schubladen ...
Ich meine, es ist für mich zumindest schwierig, hier eine scharfe Grenze zu definieren, da es meiner persönlichen Erfahrung nach in diesem gesamten Bereich diverse Berührungspunkte und Überschneidungen gibt. Wenn ich mal in der Eigenerinnerung gaaanz weit zurückspule und in meinen Erinnerungsarchiven krame, gab es bei mir schon im Alter ab ca. drei Jahren aufwärts mehrere sog. "Schlüsselerlebnisse", welche nicht nur meine Zugeneigtheit zu Menschen mit körperlichen Behinderungen stark geprägt hatten, sondern mir auch erste Gefühle und Wünsche beschert hatten, selbst auch eine Behinderung haben zu wollen. Eigentlich waren diese sog. „sightings“ aus heutiger Sicht betrachtet, meine ersten bewussten Einstiege in beide Phänomene - Mancophile und BID gleichermaßen gewesen: zum einen die Faszination welche Leute mit Amputationen oder irgendwie anderweitig fehlenden, deformierten oder nicht funktionierenden Gliedmaßen aller Art auf mich ausgeübt hatten und andererseits der damals schon aufkeimende eigene Wunsch, selbst zu dieser präferierten Menschengruppe dazugehören zu dürfen.
In der Kindheit und Jugendzeit war dies alles aber noch nicht sehr ausdifferenziert und entwickelt gewesen. Obwohl ich mich gut erinnern kann, auch damals auch schon „pretendet“ zu haben - ich simulierte entweder einarmige Menschen, was recht einfach war (Arm ins Hemd stecken) oder aber am Liebsten schon Einbeinige, was als Kind schon schwieriger war darzustellen, mangels richtiger Krücken. Aber passende Stöcke zu basteln ging ja auch. Und ein Bein hochzubinden und in die Hose zu stecken, war auch nicht schwer. Sogar doppelt beinamputiert zu spielen ging, was ich besonders gerne machte. Letztlich war das schon ein Vorgriff auf meine heutige Interessenslage. Interessante Feststellung war dabei, dass die meisten Spielkameraden*innen solche „Spiele“ nicht mitmachen wollten bzw. das alles zumindest seltsam fanden. Auch meine Eltern regten sich ziemlich auf und erklärten mir, dass „man sowas nicht machen darf“, weil man gefälligst froh zu sein hatte, noch komplette Gliedmaßen zu haben. Heute ist mir diese damalige Begründung eher noch verständlich, dass man sagte, dass sich solche „Spiele“ nicht gehörten, vor allem, weil es damals noch relativ viele Kriegsversehrte gegeben hatte, die sich mit ihren knarzenden Holz-Prothesen, auf ledernen Rutschkissen oder riesigen Rollwagen vorwärts bewegten. Und die erste Polioseuche rollte auch schon durchs Land.
In der Grundschule hatten wir dann auch prompt in meiner Klasse einen Jungen mit Polioschäden an den Beinen und den damals unvermeidlichen ledernen Beinhülsen und verchromten Metallschienen und zwei Krücken! Was habe ich den beneidet, so wollte ich auch unbedingt daherkommen! Natürlich habe ich mich mit ihm angefreundet. Leider war er oft krank und musste in Heilkliniken zur Kur.
Auf jeden Fall lernte ich damals nebenher schnell, dass es wohl ratsamer war, meine Faszination bzgl. körperlicher Behinderungen lieber für mich zu behalten, was ich jahrelang auch konsequent praktiziert hatte. Wer mag schon immer als seltsam und schräg auffallen. Dennoch war der Samen für das heute schon gelegt und aufgegangen. Wobei es von Anfang an so war, wenn ich mich zu den BIDlern zählen will, dann sind es bei mir ausschließlich immer meine Beine gewesen, welche betroffen sind. Zuerst war es nur das linke Bein, das ich am liebsten ganz entfernt haben wollte, am Besten mit einem Kurzstumpf, welcher nicht prothesenfähig sein sollte - wenn schon, denn schon. In dieser Hinsicht war ich immer schon kompromisslos gewesen. Im Lauf der Jahre erweiterte sich das Phänomen. Folglich war der starke Wunsch entstanden, und darum wollte ich doppelt oberschenkelamputiert sein, mit einer Kurzstumpfversorgung ohne Prothesen und im Rollstuhl.
Um es jetzt etwas abzukürzen: Was hat das alles nun mit meinem BID zu tun? Subjektiv ziemlich viel. Denn meine heutig aktuell bestehende Wunschprojektion entweder radikal ein Ohnbeiner (beidseitige Hüftexartikulation, Rollstuhl, keine Prothesen, dafür Beckensitzkorb mit Minihandkrücken) zu sein oder zuletzt noch besser, zwei ziemlich kurze, deformierte Beine mit verkrüppelten Spalt-/Klumpfüßen zu haben, mit denen ich kaum mehr laufen kann und mich nur mithilfe von Achselkrücken, Orthesen oder Rollstuhl fortbewegen zu können, hat sich seit damals stetig fortentwickelt. Also das ist der derzeitige Stand meines Prozesses. Eine Realisierung strebe ich heute aber nicht mehr an, denn ich fühle mich leider schon etwas zu alt dazu und habe mich mit mir und meiner Veranlagung, Erkrankung (?), Prädispostion, Präferenz oder wie man es auch nennen mag, längst schon abgefunden und versöhnt. Ich habe das offenbar als Aufgabe zugeteilt bekommen und bin so geworden und komme inzwischen ganz gut damit klar. Dennoch ist es ein täglich präsentes Thema, aber es ist keine bleischwere Belastung mehr, wie in ganz früheren Zeiten. Außerdem wissen meine wichtigsten Bezugspersonen (Partnerin) Bescheid und haben zum Glück auch kein beonderes Problem damit. Wäre ich allerdings um Einiges jünger, reicher und wagemutiger würde ich aber vielleicht doch schauen, ob da noch was in Richtung Bodymodification zu erreichen wäre. Der Reiz wäre auf jeden Fall vorhanden. Aber auch hin- und wieder zu Pretenden oder sogar Photoshop kann etwas Entlastung bringen ...
So, das sollte erstmal für den Einstieg reichen. Mal sehen, ob mein etwas deviantes Thema überhaupt von Interesse ist.
Beste Grüße an alle Sehnsüchtigen, haltet durch!