Ich wäre gern Amputiert

Ludio
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Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 26675Beitrag Ludio »

Hallo Zusammen,

ich bin 22 Jahre alt und komme von Bayern.
Ich habe über 10 Jahren den Wunsch meinen linken Unterschenkel amputieren zu lassen, also 15 cm unter dem Knie.
Ich weis nicht mehr warum der Gedanke gekommen ist, ich weis bloß dass der Wunsch da ist.

Dieser Amputationswunsch schädigt meiner Psyche, der Drang danach ist verdammt groß. Dieser Drang zwang mich dazu mein Beim abzubinden, damit es abstirbt. Ich habe mir Wunden zugefügt und mit Dreck überseht damit ich eine Blutvergiftung bekomme.

Ich kann nicht mehr klar denken, nur noch an das.

Kann mir jemand helfen damit umzugehen?
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Marc
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 26677Beitrag Marc »

Ludio hat geschrieben: Do 14. Apr 2022, 16:11 (...) Dieser Drang zwang mich dazu mein Beim abzubinden, damit es abstirbt. Ich habe mir Wunden zugefügt und mit Dreck überseht damit ich eine Blutvergiftung bekomme.
(...)
GAAANZ SCHLECHTE IDEE ... die Wahrscheinlichkeit Dein Leben zu verlieren bei solchen Aktionen ist wahrscheinlicher als das Bein!!!!

Bitte lass das mit solchen Aktionen!

... du bist hier schon richtig wenn du dich mit anderen Betroffenen austauscht um damit etwas besser umzugehen
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Humpelstilzchen
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 26678Beitrag Humpelstilzchen »

Willkommen im Club (oder "Club" ?)
Ludio hat geschrieben: (...)Dieser Drang zwang mich dazu mein Beim abzubinden, damit es abstirbt. Ich habe mir Wunden zugefügt und mit Dreck überseht damit ich eine Blutvergiftung bekomme.(...)
Solche verzweifelten, überstürzten DIY Methoden führen zu nichts, da kommt höchstens Murks bei raus. Ist wie beim Heimwerken, wer noch nie ein Auto lackiert hat, kann nicht einfach mit der Sprühdose draufhalten und ein Kunstwerk erwarten.

Ludio hat geschrieben: Ich kann nicht mehr klar denken, nur noch an das.
Kann mir jemand helfen damit umzugehen?
Wenn der Geist vernebelt ist, hilft erstmal Abstand gewinnen. Rausgehen, spazieren gehen, Rad fahren, nicht zu Hause herumsitzen. Sauerstoff in die Zellen lassen.
Wenns auch schon einige junge Leute hier gibt, die meisten hier sind doch schon reifere Semester, deutlich über 30, deutlich über 40. Und einige haben bereits etwas erreicht, andere haben ihren Weg noch nicht vollständig erforscht. Mit anderen Worten, mit 22 bist du gerade mal ein paar Jahre auf dieser Erde. Du kannst keine Lösung übers Knie brechen. Man weiß auch nicht immer, wie etwas mal weitergeht. Dein Leben ist nicht nur dieses Verlangen und du bist auch mehr als dieses Verlangen. Es ist nur ein Teil und es soll dich nicht beherrschen, du musst der Fahrer am Lenkrad bleiben in deinem Leben.

Das ist auch ein Selbsthilfeforum und das hat bei seinen Möglichkeiten auch seine Grenzen. Wenn man sich in einer Krise befindet, die das Leben als Mensch im ganzen beeinträchtigt, dann braucht es manchmal mehr, als nur ein Forum im Internet.

Wenn ich etwas erreichen möchte, egal was, dann mache ich ein brain storming auf Papier, was ist das Ziel, welche Mittel und Wege habe ich bereits, welche nicht, welche fehlen, wie können diese erreicht werden, sind diese dann tauglich usw. Errreichen tut man nur etwas, wenn man kühl und rational plant und nicht kopflos sich einem Gefühlssturm hingibt.....

Als ich als vor zig Jahr(zehnt)en meinen ersten Rubik´s Würfel hatte, hab ich den auch nicht an einem Tag wieder hingekriegt, sondern hab ihn immer wieder mal in die Hand genommen und daran gedreht. Und irgendwann....
Always be yourself. Those who matter won't mind, those who mind, don't matter!
Andy1972
Beiträge: 5
Registriert: Do 6. Jan 2022, 16:54

Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27080Beitrag Andy1972 »

Hallo Ludio,
ich bin seit Januar wieder zum ersten Mal hier. OK ich bin kein BIID, über meine Krankheit kannst Du gerne hier lesen.
Ich hatte auch keine andere Wahl als den Unterschenkel zu amputieren.
Habe dann Ärzte gefunden die bereit waren das zu tun und haben es am 05.04.2022 getan. Mein Unterschenkel wurde an dem Tag abgetrennt und ich hoffte, die Schmerzen und Krämpfe loszuwerden.
Ja, ich bin im I. Step die Krämpfe und Schmerzen losgeworden.

Aber eine Woche nach der Amputation bin ich auf den Stumpf draufgefallen, weil mein Kopf in dem Moment dachte: "hey, Du kannst in den Rollstuhl und mit dem ""amputierten Fuß"" noch ein Schritt machen." Daraus wurde eine Notoperation, wo ich fast den Unterschenkel verloren hätte. Ich habe über zehn Wochen im Krankenhaus um den Stumpf unterhalb des Knies gekämpft. Noch heute habe ich eine Wunde und denke nicht mal dran, an eine Prothese, weil das erst in den nächsten drei oder vier Monaten kommen kann, wenn die Wunde verheilt ist.

Was möchte ich Dir sagen?

Auch wenn man denkt, oder im Internet Menschen mit Prothesen sieht, ist es nie einfach. Es gibt immer Sturm auf der hohen See!
Niemand der da draußen im Internet mit Prothese läuft, ist ohne Schmerzen oder sogar Phantomschmerzen.

Ich dachte vor dem Schritt auch, dass es einfach geht. Dachte, hey nach drei Wochen bist Du daheim und fünf Wochen läufst Du auf einer Prothese.

Statt dessen laufe ich fast halbes Jahr später immer noch auf Krücken, weil die Wunde nicht verheilt ist. Weil es schief gelaufen ist.
Ich sitze grad vor dem Computer und schreibe Dir das und innerlich wünsche ich mir, wie früher aufzustehen und mir ein Bier holen zu gehen.

Nee, das geht nicht. Ohne Unterschenkel kann ich keine Flasche aus dem Keller die Treppe tragen!
Hast Du schon mal dran gedacht?
Du bist eine Zeit lang völlig auf andere Menschen angewiesen.
Ich möchte hier nicht "Klugscheißen", aber eine Amputation hat mir zwar geholfen, aber mein Leben völlig verändert.

Ich dachte früher, das es leichter geht, aber es kam völlig anders! Leider!

Ich hatte sehr gute Ärzte, aber dennoch habe ich heute Phantomschmerzen, wo ich nachts schweißgebadet wach aufwache.

Ja, verstehen kann ich das. Ich wünschte mir das auch, auch wenn ich kein BIID bin. Nur bitte denke dran, wenn der Fuß einmal ab ist, ist der für immer ab. Für Dein ganzes Leben. Jeden Tag und jede Nacht.

Du wachst in der Nacht auf, Du brauchst eine Prothese oder Krücken um auf Toilette zu gehen. Man kann das nicht mehr zurückspullen und sagen, ich habe das satt und möchte wieder zurück. Diese Entscheidung kann man nicht wiederrufen.
Mit der Behinderung musst Du leben, bis Dein Leben endet. Hört sich Scheiße an, aber es ist so.

Aber bevor Du Dir etwas antust, was komplett Dein Leben ruiniert, rate ich Dir in der Schweiz oder Niederlanden oder Polen mit Ärzten zu sprechen. In den Ländern ist eine Amputation einfacher und schneller zu bekommen als in Deutschland.

Nur wir Deutsche sind so sturr und ethisch, wie kein anderes Volk in Europa!
Ich kann Dir da ein langes Lied von singen.
Bin auch über einen ausländischen Arzt zu dem Schritt gekommen. Weil in Deutschland mein Fuß Kaputtoperiert wäre!

Bitte sei mir nicht böse, aber ich wollte Dir von mir erzählen und auch dem Forum meinen Werdegang mitteilen.
Es ist nicht so einfach, wie das oft im Youtube in Videos gezeigt wird.

Es ist meine Erfahrung der letzten paar Monate, ich bereue es nicht, aber es ist nicht einfach ohne ein Unterschenkel zu leben!

Du kannst mich gerne persönlich ansprechen, ich freue mich, wenn ich helfen kann.
Liebe Grüße
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Luna
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27081Beitrag Luna »

Hallo Andy

Zunächst möchte ich etwas klarstellen. Auch in der Schweiz wird nicht so einfach Amputiert!
Also niemandem falsche Hoffnungen machen.

Bei dir ist sicher nicht alles optimal verlaufen. Das tut mir leid.
Aber ehrlich gesagt, hast du tatsächlich gedacht, dass du nach fünf Wochen mit Prothese gehen kannst?
Haben die Ärzte dir dies so gesagt?

Ich gehöre auch zu denen die sich nach einer Amputation sehnen.
Aber ich bin mir auch all den Dingen bewusst, die du hier beschrieben hast. Schmerzen nach der Amputation, Phantomschmerzen, auf Hilfe von anderen angewiesen zu sein usw. Mir ist auch völlig klar, dass ich nach erfolgreicher Amputation bis zu Ende meines Lebens so leben darf ( muss).
Auch ist mir völlig klar, dass hinter jedem Foto oder Video auf YouTube, Instagram etc. von amputierten ein Schicksal steckt, Tränen und Schmerzen.
Und obwohl ich das alles weiss, sehne ich mich nach der Amputation. Nach den amputierten Beinen.
Ich kann hier nicht für alle sprechen. Aber ich denke, fast alle wissen um diese Fakten.

Ich wünsche dir für deinen weiteren Weg viel Kraft und Geduld. Und dass du irgendwann sagen kannst, die Amputation war das richtige was ich in meiner Situation tun konnte.

Luna
Karl44
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27103Beitrag Karl44 »

Hallo Ludio,
ich bin bds. unterschenkelamputiert und habe keine BIID...hab dazu was geschrieben.
Aus heutiger Sicht würde ich das so sehen.
Sehr wichtig ist die Psyche, dass sie dann ok ist.
Dann sollte man nach der Amputation körperlich gesund sein.
aber auch keine Selbstverletzungen, die das vorgenannte negieren.
Nach der Amputation gibt es einen Prozess, den Du durchlaufen musst
Phantoms waren für mich kein ernstes Problem. die gibts und auch Medis dazu.
Schmerzfrei ist alles auch nicht, aber beherrschbar
Das tust Du aber gern, weil Deine Psyche wieder in Ordnung ist.
Gruss karl
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ROK
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27107Beitrag ROK »

Ein Kommentar noch bezüglich Krücken. Das ist wie bei vielen Dingen nur vom Training abhängig. Ich habe selber BID und wünsche mir eine Amputation im rechten Oberschenkel. Den Druck mindere ich seit Jahren durch pretenden. Zu meinem BID gehört es, dass ich sehr gerne auf Krücken laufe. Das ist quasi Teil des inneren Körperbildes. Wenn man das einige Zeit regelmäßig macht, findet man sich sehr gut zurecht. Eine Flasche Bier aus dem Keller holen geht problemlos.
Was ich jedem empfehlen kann, der mit der Absicht spielt sich irgendwann amputieren (oder was auch immer) zu lassen, ist ausreichende Vorbereitung. D. h. möglichst oft verschiedene Alltagssituationen mit z. B. nur einem Bein durchzuführen. Also pretenden in der Straßenbahn, beim Einkaufen, einen steilen Waldweg hochlaufen, Rolltreppe fahren, etc.

Grüße
ROK
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Karl44
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27110Beitrag Karl44 »

Da ist das bei mir anders.
Als ich auf dem richtigen Weg war, wollte ich natürlich ohne Krücken gehen.
Ich zieh die Beine morgens ans und abends aus.
Das gehen sieht normal aus, wenn es trainiert ist
LAK1210
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27241Beitrag LAK1210 »

ROK hat geschrieben: Di 5. Jul 2022, 10:53 Ein Kommentar noch bezüglich Krücken. Das ist wie bei vielen Dingen nur vom Training abhängig. Ich habe selber BID und wünsche mir eine Amputation im rechten Oberschenkel. Den Druck mindere ich seit Jahren durch pretenden. Zu meinem BID gehört es, dass ich sehr gerne auf Krücken laufe. Das ist quasi Teil des inneren Körperbildes. Wenn man das einige Zeit regelmäßig macht, findet man sich sehr gut zurecht. Eine Flasche Bier aus dem Keller holen geht problemlos.
Was ich jedem empfehlen kann, der mit der Absicht spielt sich irgendwann amputieren (oder was auch immer) zu lassen, ist ausreichende Vorbereitung. D. h. möglichst oft verschiedene Alltagssituationen mit z. B. nur einem Bein durchzuführen. Also pretenden in der Straßenbahn, beim Einkaufen, einen steilen Waldweg hochlaufen, Rolltreppe fahren, etc.

Grüße
ROK
Diesen Ratschlag (Fettschreibung durch mich) kann ich nur wärmstens empfehlen.
Ich habe viel pretendet, als ich noch zwei Beine hatte. So war ich nach der Amputation direkt in der Lage, mit zwei Krücken meinen gesamten Alltag zu meistern, ohne fremde Hilfe anfragen zu müssen. Und es bleibt bei mir nicht bei der Flasche Bier, die es aus dem Keller zu holen gilt. Eine ganze Pfandkiste mit Glasflaschen hieve ich mit den Achselkrücken aus dem Auto in die Wohnung. Und eine Wanderung in den Löwensteiner Bergen von Spiegelberg (326 m) auf den Juxkopf (533 m) durch die z.T. mit Seilen abgesicherte Hüttlenwaldklinge ist mit zwei Unterarmgehstützen ohne Probleme möglich. Ich wäre auch noch auf den Aussichtsturm oben auf dem Juxkopf gestiegen, der war aber leider geschlossen.
edison
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Re: Ich wäre gern Amputiert

Beitrag: # 27248Beitrag edison »

Aus meiner über ein paar Jahrzehnte Erfahrung mit dem Pretenden kann ich nur bestätigen, dass Pretenden sehr viel hilft.
Ich habe als LAK-Pretender viele Situationen mit Krücken in der Öffentlichkeit ausprobiert: Einkaufen in Kaufhäusern, Geschäften, Rolltreppe benutzen, Bus und Bahnfahren u.a.. Selbst in ein paar Fernsehbeiträgen zu BID war ich als Pretender anonymisiert dabei.
So gewöhnt man sich im Laufe der Zeit an das Leben als Beinamputierter und vieles läuft automatisch ab.
Allerdings hat das jahrelange Pretenden mein Hüftgelenk verschlissen und musste schließlich operiert werden. Heute trage ich
eine Hüftgelenksprothese - ohne Schmerzen und Einschränkungen. Pretenden mit Krücken ist seitdem nicht mehr möglich bzw.
hätte wahrscheinlich einen Totalschaden des Hüftgelenks zur Folge. Als Ersatz für das Pretenden bleibt dann nur noch der Rollstuhl.
Der Wunsch links oberschenkelamputiert zu sein ist unverändert intensiv täglich vorhanden.
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