Literatur: Bücher und Artikel über BIID

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admin
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Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 23Beitrag admin »

Bücher:

Aglaja Stirn / Aylin Thiel / Silvia Oddo: Body Integrity Identity Disorder (BIID)
Störungsbild, Diagnostik, Therapieansätze

EUR 39,95; ISBN 978-3-621-27761-7, 1. Auflage 2010. 202 Seiten.
Verlagsseite: http://www.beltz.de/de/psychologie/fach ... -biid.html
Deutschsprachige Beschreibung von BIID, Diskussion von Erklärungsansätzen und Darstellung von Fällen und therapeutischen Bemühungen.

Body Integrity Identity Disorder: Psychological, Neurobiological, Ethical and Legal Aspects
Stirn, A., Thiel, A., Oddo, S. (Eds.), Pabst Science Publishers, Lengerich, 2009, 250 Seiten.
Tagungsband des 1. Frankfurter BIID-Kongresses im Februar 2009 mit Beiträgen vieler Autoren, die BIID aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachten. Auch Beiträge von Betroffenen!
Verlagsseite:
http://www.psychologie-aktuell.com/buec ... b942829a4e

Amputee Identity Disorder: Information, Questions, Answers, and Recommendations About Self-Demand Amputation
Author: Gregg M. Furth, Robert Smith
Foreword by Elisabeth Kübler-Ross
Edition: (2000-10-20) Publisher: AuthorHouse Paperback: 112 pages
ISBN-13: 9781588203908 ISBN-10: 1588203905
Gab es als gedruckte Ausgabe und als pdf zum Herunterladen. Vermutlich vergriffen.

Artikel:

Viele englischsprachige Artikel findet man bei http://biid-info.org. Eine Liste deutschsprachiger Artikel müssen wir erst noch zusammenstellen. Wer kennt welche? Hier posten bitte.
stefan84
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Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 656Beitrag stefan84 »

http://nachrichten.t-online.de/biid-syn ... 2456/index

"Als ob man einen Schalter im Gehirn umlegt"

aktualisiert am 25.06.2010, 12:56 Uhr | Von Annette Langer
Tausende Menschen weltweit verspüren den krankhaften Drang nach Selbstamputation, genannt BIID. (Foto: imago)

Tausende Menschen weltweit verspüren den krankhaften Drang nach Selbstamputation, genannt BIID. (Foto: imago)

Sie lassen ihre Gliedmaßen in Trockeneis erfrieren oder sägen sie aus Verzweiflung selbst ab: Weltweit leiden Tausende Menschen unter BIID - einer Störung, bei der sich Gesunde um jeden Preis eine Amputation wünschen. Norman aus den USA hat sie bekommen.

Spricht man mit Gesunden über die Symptome von BIID, dann verziehen sie das Gesicht, winden sich und greifen ängstlich nach Armen und Beinen - als wollten sie sich vergewissern, dass die noch dran sind. Zu grotesk, zu abwegig erscheint vielen die Idee, dass ein physisch unversehrter Mensch sich nichts sehnlicher wünscht, als körperlich behindert zu sein - durch die Amputation einer Gliedmaße.
riroba
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Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 1924Beitrag riroba »

http://www.faz.net/s/Rub7F74ED2FDF2B439 ... ntent.html

Artikel bei FAZ.net über BIID vom 17.04.2011
handinumber
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Registriert: Mi 8. Dez 2010, 19:08

Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 1925Beitrag handinumber »

Hallo riroba
Klasse, dass Du den Hinweis zum FAZ-Artikel hier eingestellt hast. Lohnt sich wirklich zu lesen.
Phil

Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 2077Beitrag Phil »

In dem FAZ-Artikel finden sich einige nicht ganz zutreffende Darstellungen:

"Bei vielen ist das Bedürfnis so stark, dass sie sich die gehassten Gliedmaßen zertrümmern. Dann müssen die Ärzte amputieren." Das ist sicher nicht bei "vielen" der Fall, sondern total selten.

"Das Phänomen ist nicht neu und seit den Pioniertagen der Seelenkunde auch beschrieben: Ein englischer Edelmann hatte 1785 einen Chirurgen mit vorgehaltener Waffe gezwungen, ihm das Bein abzunehmen." In dem Fall handelt es sich nicht um BIID. Das wird immer wieder aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. In Wirklichkeit wollte dieser Edelmann eine Frau erobern, die amputiert war und befürchtete, er könne sie nicht lieben, weil sie verkrüppelt sei. Deshalb ließ er sich amputieren, damit sie keine Minderwertigkeitsgefühle zu haben braucht. Kann man unten nachlesen. Aber die Mühe machen sich ja nicht mal Wissenschaftler (was sagt das über die Wissenschaft?).

"„Gerade habe ich von einem Mann gehört, der sein Bein losgeworden ist“, sagt er. „Und dann ging es wieder los. Diesmal war es die Hand.“" Davon habe ich noch nie gehört, dass es nach einer Amputation "wieder los gegangen" wäre.

Aber insgesamt ist der Artikel gut, weil er BIID nicht so isoliert darstellt und auch klar macht, dass man eigentlich ziemlich wenig weiß.



Der Originaltext über den Edelmann des 18. Jahrhunderts, der angeblich BIID hatte:

"(p. 221)
VI. En 1781 ou 82, un Anglois va trouver un Chirurgien habile de cette
ville, dont le nom ne nous est pas parvenu. -- Monsieur, vous voyez
cette bourse; elle contient cent guinées, & sera la salaire de
l'opération dont je vais vous charger, si voul la faites avec succès:
dans le cas contraire, ce pistolet punira votre refus ou votre
maladresse.
(p. 222)
--- De quoi s'agit-il? --- Il me faut couper cette jambe. --- Mais,
Monsieur, elle est saine, dans le meilleur état: je ne puis ni ne veux
vous faire, sans nécessité quelconque, une opération aussi cruelle.
--- Ne balancez pas un instant à me satisfaire, ou votre vie. . . . .
. Je n'ai ni instrumens ni bandages préparés. --- J'ai prévu cette
objection, & je me suis muni de tout ce qui est nécessaire; vous
n'avez donc point de prétexte; opérez. . . . . Il fallut que, malgré
lui, le Chirurgien séparât du corps, une jambe qui y convenoit
très-bien; mais qu'une fantaisie singuliere avoit proscrite. L'Anglois
guérit & retourna dans sa patrie avec une jambe de bois.
On assure que le Chirurgien, quelques temps après, reçut de cet
original, une lettre conçue en ces termes: «recevez, Monsieur, pour
témoignage de ma vive reconnoissance, la lettre de change incluse de
deux cent cinquante guinées, sur M. Ponchaud; vouz m'avez rendu
(S. 223)
le plus heureux de tous les hommes, en m'ôtant un membre qui mettoit à
mon bonheur un obstacle invincible. Ce language vous paroîtra celui
d'un fou, & vous aurez raison de me juger tel, si l'homme le plus
passionné mérite cette épithete. J'aime, que dis-je? j'adore une femme
charmante, sans laquelle l'existence m'étoit à charge, & dont le
sacrifice d'une jambe pouvoit seul m'obtenir la main. Je m'y suis
déterminé, dès le moment, que j'ai sçu le motif de sa résistance. Elle
n'avoit qu'une jambe, & ne vouloit pas que j'eusse de ce côté sur elle
une supériorité, qu'elle croyoit me mettre dans le cas de lui faire
des reproches. Injuste qu'elle étoit! tant d'autres avantages
assuroient son empire sur l'amant le plus tendre! Enfin, Monsieur, de
retour à Londres, ma situation l'a subjuguée: nous nous somme unis, &
je trouve une consolation bien puissante, de la privation à laquelle
j'ai consenti, par la res-
(p. 224)
semblance qu'elle me donne avec l'objet de tous me vœux. Qu'est-ce,
après tout, que cette privation, au prix de la jouissance qu'elle m'a
procurée, & quel est l'homme qui ne s'y résoudroit pas, pour la
possession d'une épouse, qui doit faire son bonheur»!"

Genaue Quellenangabe vom Buchtitel:
Anecdotes historiques, Littéraires et Critiques, Sur la Médecine, la
Chirurgie, & la Pharmacie. Première Partie. A Amsterdam; et se trouve
à Paris, chez Le Boucher, Libraire, quai de Gêvres, à la Prudence.
M. DCC. LXXXV.
Keine Verfasserangabe.
Verfasserangabe der Library of the University of Michigan: Pierre Sue.
In Wirklichkeit wohl Jean-Joseph Sue.

http://books.google.de/books?id=rVM0AAA ... &q&f=false

Bei Johnston/Elliott heißt es aber:
"In a 1785 text, the French surgeon and anatomist
Jean-Joseph Sue described the case of an Englishman
who had offered a French surgeon 100 guineas to
amputate his healthy leg. Protesting that he did not
have the proper equipment, the surgeon refused to
operate. He changed his mind however, when the
Englishman produced a gun. The surgeon then
proceeded to amputate the Englishman’s leg under
threat of death. Some time later he received payment
of 250 guineas in the mail, along with a letter. ‘You
have made me the happiest of all men,’ explained the
Englishman, ‘by taking away from me a limb which
put an invincible obstacle to my happiness1.’"

Das schreiben nun alle ab.
admin
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1. Frankfurter BIID-Konferenz 2009

Beitrag: # 2432Beitrag admin »

Bericht von der 1. Frankfurter BIID-Konferenz:

1. BIID-Konferenz Frankfurt am Main 2009
6./7. März 2009
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Bereich Psychosomatik
http://www.psychiatrie.uni-frankfurt.de ... ence_2009/

Ein persönlicher Bericht von „Phil“

Diese Notizen beruhen auf meiner Mitschrift bei der Tagung. Sie enthalten das, was mir an den Vorträgen und Diskussionen aufgefallen und wichtig erschienen ist. Ich konnte dafür auch die Aufzeichnungen von „Nelson“ verwenden, und die Präsentationen von wenigen Referenten.
Für mich war diese Tagung eine der großartigsten Erfahrungen meines Lebens. Ich fühle mich befreit, und ich bin voller Dankbarkeit, dass ich so viele Gleichgesinnte aus der ganzen Welt und so viele Forscher kennenlernen konnte, die uns wirklich helfen wollen. Die Atmosphäre war unglaublich offen und herzlich.
Die Namen in Anführungszeichen sind Decknamen, die unter BIID-Betroffenen bekannt sein dürften. Die anderen Namen sind echte. Anmerkungen in eckigen Klammern [] stammen von mir („Phil“).


I Private Treffen
Vor der offiziellen Tagung gab es zwei Tage lang private Zusammenkünfte von Menschen mit BIID, ihren Partnern und Freunden, organisiert von „Andrew Becker“. Wir redeten über alles und fanden heraus, dass wir in vielerlei Hinsicht sehr viele Ähnlichkeiten haben, aber jeder Mensch mit BIID ist doch ganz individuell unterschiedlich.
Intensiv diskutierten wir die Frage: Wenn es einen Knopf gäbe, den wir drücken und damit all das vergessen könnten – würden wir es tun? Die meisten Teilnehmer sagten, sie würden es nicht tun, denn den Knopf drücken und ihr BIID vergessen würde bedeuten, dass sie einen wichtigen Teil ihrer Identität verlieren würden. [Die Frage ist nur theoretischer Natur, denn so einen Knopf gibt es nicht, und es sieht auch nicht so aus, als würde es in absehbarer Zukunft einen geben. Auf der anderen Seite gibt es vielleicht einen Weg, sich langsam auf andere Dinge des Lebens zu konzentrieren und mit einem „gezähmten“ BIID zu leben, das sich langsam verringert?]

II Die Tagung
Erster Tag: Freitag, 6. März 2009
1) Die offizielle Konferenz begann am Freitag um 11.30 Uhr mit einer Begrüßung durch Privatdozentin Dr. med. Aglaja Stirn (Universität Frankfurt), die die Tagung mit ihrem Team organisiert hatte. Sie erinnerte die Gäste daran, dass Money 1977 zum ersten Mal über BIID geschrieben hatte und dass die meiste Forschung erst in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat.
2) Professor Dr. Erich Kasten (Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck, Deutschland), Sprecher der BIID-Kommission von Forschern und Therapeuten in den deutschsprachigen Ländern, hielt den ersten Vortrag über BIID: Persönlichkeitsprofile und Untersuchungen zu den Motiven. Zur Einführung gab er einen Überblick über die wesentliche Literatur und Forschung zu BIID und zu diesem Phänomen selbst. Dessen Wesen wird von den Betroffenen als ein Gefühl beschrieben, dass sie nur vollständig sind, wenn ein Teil von ihrem Körper amputiert ist, mit oder ohne sexuelle Komponente. Er unterschied BIID klar von anderen Erscheinungen wie Schizophrenie. Das deutsche Recht macht es schwierig, den Wunsch nach einer Amputation erfüllt zu bekommen (vor allem § 53 des Sozialgesetzbuchs V und § 228 des Strafgesetzbuchs stellen in Frage, ob eine Amputation ohne rechtliche Konsequenzen für den Chirurgen und sein Team vorgenommen werden kann). [Das ist aber umstritten, es gibt Rechtsanwälte, die sagen, dass das deutsche Gesetz chirurgische Behandlung für Menschen mit BIID eben nicht verbietet.]
Sind Menschen mit diesem Phänomen „verrückt“? Um diese Frage zu beantworten, hat Prof. Dr. Kasten eine kleine Erhebung mit 9 Menschen mit BIID durchgeführt, die etliche Fragebögen mit standardisierten psychologischen Tests ausgefüllt haben. Nach deren Ergebnissen ist es klar, dass die Menschen mit BIID überhaupt nicht verrückt, wahnsinnig, psychopathisch oder sonst wie geisteskrank sind. Nur das „Freiburger Beschwerdeinventar“ brachte eine leichte Auffälligkeit bei mehreren Betroffenen: eine höhere emotionale Reaktivität.
Warum haben Menschen diese Sehnsucht? Die Betroffenen haben keine Erklärung. Sind Kindheitserfahrungen verantwortlich? Ist die Behinderung eine ersehnte Herausforderung? Ist es eine Identifikation mit amputierten Helden (wie sie in den Medien dargestellt werden, z. B. in Filmen wie „Planet Terror“ oder Fernsehserien wie „The 6 Million Dollar Man“)? Hat es mit „Techno-Doping“ zu tun, wie es am Fall von Oscar Pistorius diskutiert worden ist, der mit zwei Unterschenkelprothesen schneller rennt als jemand es mit zwei natürlichen Beinen könnte?
Es gibt auch andere Formen eines veränderten Körperschemas (oder Körperbildes): Versuche mit Spiegeln zeigen, dass die Wahrnehmung des eigenen Körpers (und von anderen Körpern) verändert werden kann; Meditation, Hypnose und Autogenes Training sind andere Beispiele dafür.
Kann eine Person also BIID hervorrufen, indem sie lange genug daran denkt, amputiert zu sein, sich sozusagen hineinsteigert? Auch Drogen (wie LSD), Stress, Verletzungen (seelische Traumata) und neurologische Erkrankungen führen zu veränderter Körperwahrnehmung.
Ist BIID eine neurologische Sache wie „Neglect“ (also wenn jemand ein Körperteil nicht als seines oder gar nicht erkennt, wie zum Beispiel von Oliver Sacks in seinen Büchern beschrieben)? Manche Menschen mit BIID berichten, dass sie die Linie genau spüren, an der ein Körperteil enden sollte, das klingt, als wäre es neurologisch. Aber andererseits sagen manche Betroffene, dass sich ihre Sehnsucht in ihrer Intensität und was das Ausmaß der ersehnten Amputation betrifft verändert hat. Das spricht gegen eine neurologische Ursache.
Ist es also psychisch, wie die körperdysmorphe Störung (auch Dysmorphophobie oder Körperbildstörung genannt, englisch: body dysmorphic disorder)? Nein, die Menschen mit BIID finden ihr Körperteil durchaus normal, sie haben keine sozialen Probleme. Ist es wahnhaft? Nein, die Betroffenen wissen genau, dass ihre Sehnsucht nicht „normal“ ist.
BIID ist nicht gleich BIID. Es gibt verschiedene Formen davon. Als Beispiel zitierte Professor Kasten einen Text von „TP“ aus dem früheren deutschen Wannabe-Forum: „Wenn ich morgen früh eine gute Fee auf der Fensterbank sitzen finde, die mich fragt, ob ich nicht gern – Simsalabim – kurz und problemlos meine Amputation haben möchte, komplett mit Alibi und allem Drum und Dran – nun, dann freue ich mich natürlich riesig. Wenn nun aber daneben gleich noch eine gute Fee sitzt, die mich fragt, ob ich nicht vielleicht einfach gern rundrum zufrieden mit meinem Körper sein möchte und von BIID nie wieder im Leben irgendwas hören oder fühlen ... nun – dann schubse ich die erste Fee doch geradewegs aus dem Fenster und nehme das zweite Angebot. Von allen Möglichkeiten möchte ich am allerliebsten geistig und körperlich absolut gesund und unbehindert sein.“
Um BIID besser zu verstehen, schlägt Kasten vor, drei Komponenten zu beschreiben und zu unterscheiden:
(1) das Ausmaß der ersehnten Behinderung
(2) das Maß der erotischen Komponente
(3) das Maß der neurologischen Schädigung.
[Anmerkung von Phil: Da scheinen einige andere Komponenten zu fehlen, zum Beispiel: die Intensität des Wunsches, die Gefühle, die damit verbunden sind, Änderungen im Ausmaß der Behinderung und Schwankungen der Stärke des Wunsches etc.]
In der Diskussion zu Professor Kastens Vortrag berichtete „Phil“ vom privaten Treffen vor der offiziellen Konferenz, in dem genau diese Frage diskutiert worden war, und dass seinem Eindruck nach 80 % der Menschen mit BIID die zweite Fee aus dem Fenster schubsen würde, denn die erste rauszuwerfen hieße, dass sie ihre persönliche Identität verlieren würden. Dan sagte, dass er nicht glaubt, dass seine Identität erhalten würde, wenn die Sehnsucht weg wäre. Und es gibt keine solche Fee, während es sehr einfach chirurgische Behandlung geben könnte. „Kerner“ schlug vor abzustimmen, aber das unterblieb, um die Anonymität des Publikums zu wahren.
N.N. fragte nach den Persönlichkeitsprofilen von BIID-Betroffenen. Professor Kasten antwortete, die Menschen mit BIID seien „normal“ in allen Aspekten und repräsentierten eine große Bandbreite der Gesellschaft. N.N.2, ein forensischer Psychiater, fragte nach der Nähe von BIID zu GID (Gender Identity Disorder, Transsexualität) und Paraphilie. Das wurde dann in späteren Vorträgen behandelt. Ein österreichischer Ethiker zog eine Parallele zur Anorexie (Magersucht).

3) Professor „Michael Gheen“, MD, ein BIID-Betroffener, der von Beruf Internist an einer renommierten Universität ist, trug sowohl die Einsichten eines Hochschulmediziners als auch die eines Menschen, der seit fast 70 Jahren an BIID leidet, bei: Klare Definitionen und wissenschaftliches Verständnis: Gedanken eines Hochschulmediziners mit BIID. Nach einer Vorstellung seiner Person und seines „ziemlich typischen“ BIID (Beginn mit 5 Jahren, „Pretenden“ seit der Kindheit, Neid auf Amputierte, Sehnsucht nach einer rechten Oberschenkelamputation) stellte er einige Fragen: Ist BIID eine Ab-Normalität? Ist es „bizarr“? Ist es eine Krank-heit oder ein Leid-en? Ist es neurologisch, neurophysiologisch; ist die Willensfreiheit (Autonomie) eines Menschen mit BIID eingeschränkt? Und sollte es ins DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Diseases/Diagnostisches und Statistisches Handbuch geistig-seelischer Erkrankungen) aufgenommen werden? Ist die Sehnsucht rational?
Professor „Gheen“ merkte an, dass sein BIID eine Amputation betrifft, aber dass andere Menschen andere Arten von Sehnsucht haben, zum Beispiel nach einer Lähmung, Blindheit oder Gehörlosigkeit.
BIID kann als ab-normal betrachtet werden, nur weil weniger als eine von tausend Personen es zu haben scheint. Ob es als „bizarr“ angesehen wird, liegt nur im Auge des Betrachters. Da es Stress und Ängste verursacht, kann es auch als Leiden oder Kranksein betrachtet werden. Aber es ist nicht BIID selber, das diesen Stress verursacht – im Gegenteil: an die Amputation zu denken ist angenehm oder sogar erfüllend. Es ist eher die Reaktion anderer, die den Stress verursacht, und es sind die Schwierigkeiten auf dem Weg, das zu werden, was man sein muss. Also ist BIID nicht mehr eine Krankheit als schwarz in einer rassistischen Gesellschaft zu sein oder schwul in einer homophoben Gesellschaft oder transsexuell in einer ablehnenden Umgebung.
Eine Amputation würde aus jemandem mit BIID keinen Behinderten machen, sondern nur einige Herausforderungen stellen (im Englischen unterscheidet man zwischen disability ≈ Behinderung im Sinne von weniger können oder „man ist behindert“ einerseits und impairment ≈ Beeinträchtigung im Sinne von „man wird behindert“ andererseits). Die Amputation könnte sogar weniger Behinderung verursachen, verglichen mit dem Zustand vor der Operation.
Eine nicht-chirurgische Behandlung von BIID stößt an einige Grenzen. Mit den Worten einer anderen Person mit BIID: „Wie kann ich wollen, nicht zu wollen, was ich will?“ Es war das ganze Leben lang Teil einer Person, also würde das Verschwinden von BIID die Persönlichkeit verändern. „Eigentlich will ich mich gar nicht ändern. Ich will nicht von meinem BIID geheilt werden. Ich will meine Amputation.“
Neurophysiologische Forschung hat erste Anzeichen ergeben, dass BIID nicht psychisch, sondern neurophysiologisch sein könnte, was nicht überrascht, da es neurophysiologische Korrelate für die meisten psychischen Phänomene gibt (d. h.: BIID ist nichts Seelisches, sondern etwas im Nervensystem, was nicht überrascht, weil es für alles Seelische im Nervensystem Entsprechungen gibt). Aber ist das alles überhaupt so wichtig?
Es wurde behauptet, dass BIID die Willensfreiheit einer Person so einschränke, dass keine freie Entscheidung über eine Amputation möglich sei. Aber Willensfreiheit bedeutet vor allem, dass man nicht zu sehr von außen beeinflusst wird – es bedeutet sicher nicht, dass der Wille frei von der eigenen Persönlichkeit oder dem eigenen Gehirn sein müsse.
Es wäre hilfreich, wenn BIID ins DSM eingetragen würde, aber nur aus pragmatischen Gründen: Es könnte dabei helfen, einen Therapeuten/Berater und/oder chirurgische Behandlung zu finden.
Die Sehnsucht, ein „gesundes“ Bein amputiert zu bekommen, ist weder rational noch irrational. Die meisten Wünsche, Vorlieben und Entscheidungen im Leben sind nicht rational. Es wäre höchstens irrational, auch nach der Amputation ein perfekter Skifahrer sein zu wollen. Aber das ist nicht der Fall (und es gibt auch einbeinige ziemlich gute Skifahrer).
Auf der anderen Seite ist auch die Reaktion anderer Menschen, die BIID als irrational betrachten, weder rational noch irrational; sie ist verständlich.
In seinem Fazit skizzierte Professor „Gheen“ ein Programm für BIID: Menschen mit BIID sollten frei sein, ihre Sehnsucht zu verwirklichen, ebenso wie Menschen mit GID (Transsexuelle). Da es keine andere Heilung gibt, „ist es einfach grausam und diskriminierend, Menschen mit BIID keine Operationen zugänglich zu machen“. Aber es bedarf immer noch mehr Information und mehr Forschung. Daher sollten auch die Ergebnisse chirurgischer Ansätze untersucht werden. Und es sollte ein Programm zur Unterstützung der Angehörigen von Menschen mit BIID geben.
In der Diskussion sagte Dr. Sabine Müller (RWTH Aachen, Deutschland), sie bezweifle, dass eine Person mit BIID auf die gleiche Weise autonom in ihrer Entscheidung sei, eine gesunde Gliedmaße amputieren zu lassen, wie es bei einer wirklich rationalen Entscheidung der Fall wäre, weil sie nur von ihrem Gehirnzustand dazu veranlasst werde. Sie verstand Willensfreiheit in dem Sinne, in dem der Begriff von der kontinentaleuropäischen Philosophie nach Kant benutzt wird, wo Sehnsüchte durch rationale Auswahl kontrolliert werden müssten. Diese Annahme wurde vom Referenten („Gheen“) und anderen Teilnehmern grundsätzlich in Frage gestellt, die Vergleiche zogen zur Heirat, die man ebenfalls nicht „rational“ wählt, und zur Homosexualität, die wegen der falschen Annahme, sie sei irrational, unterdrückt worden ist.

4) Professor Michael First, MD (klinischer Psychiater, Abteilung für Psychiatrie, Columbia University Medical Center, New York, USA), sprach über BIID: Zusammenfassung der Interview-Studie von 2002 und künftige Forschungsrichtungen. Es war zum größten Teil eine Zusammenfassung seines Artikels “Desire for amputation of a limb: paraphilia, psychosis, or a new type of identity disorder” (Psychological Medicine, 2004, 34, 1–10; als pdf-Datei auch hier veröffentlicht: http://biid-info.org/Desire_for_amputat ... aphilia%2C_
psychosis%2C_or_a_new_type_of_identity_disorder).
Einleitend machte er einige Vorbehalte: man soll nicht übergeneralisieren, was BIID ist, denn es ist sehr vielfältig, und zweifellos macht dieses Ausmaß an Heterogenität und Variabilität es so kompliziert. Auch nach 50 Interviews würde er nicht zu irgendwelchen Schlussfolgerungen schreiten. Die Teilnehmer seiner Studie waren vor allem über den verstorbenen Gregg Furth gewonnen worden (was einige Auffälligkeiten der Stichprobe erklärt, zum Beispiel, dass sich darin ein hoher Anteil homosexueller Personen findet – und deshalb keine Korrelation mit sexueller Orientierung erlaubt).
Professor First ist nicht überrascht, dass BIID eine sexuelle Seite hat, denn es geht um die Identität oder Persönlichkeit [deshalb auch “identity disorder”, übersetzt „Identitätsstörung“]. Er gab eine Darstellung der „Gründe“, die die interviewten Personen mit BIID für ihren Wunsch angegeben hatten. [Anm. Phil: Ich denke, es handelt sich nicht so sehr um Gründe als um Rationalisierungen, nachträgliche, gesuchte Begründungen.]
Was die Ätiologie (Entstehung) von BIID angeht, diskutierte er einen Umweltansatz (Wahrnehmung einer amputierten Person), einen psychologischen Ansatz (Idealisierung von Amputierten oder des Amputiertseins), einen neurologischen Ansatz („Schaltungsproblem“) und einen sexuellen Ansatz.
Derzeit führt First eine Befragung zu Nicht-Amputations-BIID durch. Er hat bereits 30 Interviews mit Personen geführt, die eine andere Art der „Behinderung“ ersehnen als eine Amputation (Lähmung, Gehörlosigkeit, Blindheit usw.).
In der Diskussion fragte N.N. (möglicherweise Prof. Dr. Maurer), ob jemals der Wunsch aufgetreten sei, eine zusätzliche Gliedmaße zu haben. First antwortete, das sei nie beobachtet worden, vielleicht weil man nie solche Menschen zu Gesicht bekommt.

5) „Sebastian“ war der zweite Referent mit BIID. Der 56-jährige Ingenieur stellte seine Wahrnehmung und Erfahrungen als Mensch mit BIID unter den Titel Besser Bein ab als arm dran – ein Leben mit BIID. Was er hervorhob, war das Leiden unter dem Doppelleben, der Einsamkeit, dem Zwang, BIID vor der Gesellschaft, vor Verwandten, Freunden und Kollegen zu verstecken. Die Frage: „Was, wenn sie es herausfinden?“ ist immer im Bewusstsein eines Menschen mit BIID. Ein Mangel an Verständnis hat seine Entsprechung in der Sprachlosigkeit der Menschen, die an BIID leiden. Aber in den letzten Jahren hat er eine gesündere Haltung gegenüber dem Problem gefunden.

6) Professor Dr. Wolf Singer, einer von Deutschlands bekanntesten (und meistdiskutierten) Neurophysiologen (Direktor des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main), sprach über Neurale Repräsentation des Körperbildes bei gesunden Personen. Im Gehirn ist alles mit allem verbunden. Kurze und lange Verbindungen, lokale und verteilte Abläufe bilden ein kompliziertes Netz.
Sogar Vögel erkennen sich selbst im Spiegel, manche Affen tun das auch, aber nicht alle Arten. Ein Netz von Gehirnregionen ermöglicht es, das eigene Selbst von ähnlichen anderen zu unterscheiden. Die Verarbeitung dieses Bildes vom eigenen Körper hängt nicht von der Perspektive und dem Standpunkt ab. Aber man weiß immer noch nicht, wie die Gesamtwahrnehmung aus so vielen Einzelwahrnehmungen entsteht. Das brachte ihn zur Schlussfolgerung: „Ich bezweifle, dass es leicht wird herauszufinden“, wo der „Fehler“ im Gehirn eines Menschen mit BIID liegen könnte. Möglicherweise gibt es so etwas wie ein Muster oder Schema im Gehirn eines Menschen mit BIID, das sich von den Mustern oder Schemata unterscheidet, die andere Menschen von ihren Körpern haben. Vielleicht ist BIID ein Vorgang, bei dem die Ergebnisse der Körperwahrnehmung nicht mit dem Muster oder Schema übereinstimmt, was dann Frustration hervorruft.
Aber wie entsteht so ein Körperschema? Wie wenden wir alle („normalerweise“) das richtige Schema an? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Aber BIID ist nicht wirklich überraschend für ihn: „Sie würden sogar vorhersagen, dass so etwas wie BIID existiert (weil alle Entwicklungen in der Natur manchmal schiefgehen).“ [Anm. Phil: Ich glaube, er hat recht. Alles auf der Welt gibt es in verschiedenen Ausprägungen auf einer breiten Skala. Es ist statistisch wahrscheinlich, dass viele Formen von „Abweichungen“ sich entwickeln.]

7) David Brang (Zentrum für Gehirn und Kognition, University of California, San Diego, USA, Direktor: Prof. Dr. V. S. Ramachandran) argumentierte in seinem Vortrag über Erhöhte autonome Ansprache bei BIID, dass BIID eine neurologische Sache sei, denn:
– es betreffe spezifische Gliedmaßen auf spezifischer Höhe
– es sei typischerweise stabil
– es betreffe häufiger das linke Bein als andere Gliedmaßen
– es werde nicht durch psychologische Behandlung beeinflusst.
Das Gehirn- und Wahrnehmungsprozess-Labor in San Diego hat mit vier Personen mit BIID Forschung vorgenommen. Dies schloss ein: einen Hautwiderstandstest über und unterhalb der Amputationslinie, wobei der Versuchsleiter nicht wusste, welche Gliedmaße betroffen war. Die Versuchspersonen zeigten Unterschiede, während die Kontrollgruppe keine Unterschiede des Hautwiderstandes zeigte. Normalerweise schwächt sich die Wahrnehmung eines schmerzhaften Reizes nach einer Weile ab, aber das trat unterhalb der Amputationslinie bei Menschen mit BIID nicht ein.
Die Sinnesinformation hat ihren Platz im rechten oberen Scheitellappen.
Nun war die Frage: Gibt es hier anatomische Unterschiede, oder sind die Unterschiede nur funktional? Drei Personen mit BIID scheinen einen kleineren rechten Scheitellappen zu haben als der Durchschnitt. Aber das muss noch genauer erforscht werden. [Prof. Dr. Singer bezweifelte, dass die Methode, mit der die kalifornischen Forscher die Größe des Scheitellappens gemessen haben, überhaupt zu brauchbaren Ergebnissen führt.]
In der Diskussion fragte Professor First, ob sie auch Amputierte untersucht hätten. Brang antwortete, dass es Phantomempfindungen gibt (auch im rechten oberen Scheitellappen). Eine andere Frage von First war, was sie darüber dächten, dass bei manchen Menschen mit BIID die Gliedmaße und die Höhe der gewünschten Amputation sich verändert hätten, wie diese berichten. Brang antwortete, dass vielleicht der rechte obere Scheitellappen überzählige Empfindungen (egal woher sie stammen) loswerden muss, so dass sich das Gehirn wie ein sinkendes Schiff einfach wünscht, eine Gliedmaße loszuwerden. Professor Singer fragte, was dafür im Gehirn größer sei, wenn der rechte obere Scheitellappen kleiner ist [die Antwort hat „Phil“ leider nicht verstanden…]. Prof. Firsts nächste Frage war, ob die Erkenntnisse [oder Theorien?] von Ramachandrans Team die Akzeptanz einer chirurgischen Lösung vergrößern würden, was Brang bestätigte: „Absolut“, sagte er, denn die Menschen vertrauten mehr auf (neurologische) Gehirnbilder als auf individuelle Sehnsüchte. First und Brang sprachen dann darüber, ob das Sehen einer amputierten Person über Spiegelneuronen fest im Gehirn „verdrahtet“ werden kann.

8) Dr. Paul McGeoch (Zentrum für Gehirn und Kognition, University of California, San Diego, USA) vervollständigte das Referat über die Ergebnisse des Teams in San Diego. Sein Vortrag begann mit der Arbeitshypothese des Teams, wie sie in dem Artikel “Can vestibular caloric stimulation be used to treat apotemnophilia?” (Kann die Kältereizung des Gehörgangs zur Behandlung von Apotemnophilie angewandt werden?, Medical Hypotheses, 2007) veröffentlicht worden ist.
Die Erfahrung, dass Körper und Körperbild nicht zusammenpassen, führt zu einer Sehnsucht nach einer Amputation. Mittels Magnetoenzephalographie wurden vier Personen mit BIID untersucht. Große Unterschiede zwischen der Reaktion des Gehirns (im oberen Scheitellappen) zwischen dem rechten und dem linken Bein wurden gefunden. Das Team betrachtet das Erleben der Diskrepanz als einen angeborenen Defekt, der zu einer „bizarren Missverhältnis“ führt.
In der Diskussion stellte Michael First die Frage, ob auch psychologische Daten und die individuelle Geschichte der vier Versuchspersonen aufgenommen und analysiert worden seien. „Michael Gheen“ merkte an, dass man Verbindungen von Nervenzellen in gewissem Umfang verändern kann, während das mit der Größe von Gehirnregionen weniger möglich ist. Man könne bis jetzt nicht viel sagen, aber die ersten Ergebnisse schienen zu zeigen, dass BIID eher ein primäres als ein sekundäres Phänomen des Gehirns sei.

9) Priv.-Doz. Dr. Peter Brugger (Abteilung für Neuropsychologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz) sprach über Inkarnation [Verkörperung] ohne Beseelung: ein neurologischer Überblick über BIID. Er begann bei der Forschung über angeborene Phantomgliedmaßen. Es hatte die Annahme bestanden, Phantomempfindungen kämen von der Erinnerung der Eigenwahrnehmung. Ungeborene sechswöchige Kinder lutschen schon ihre Daumen. Aber diese Annahme war einfach zu widerlegen. Eine Frau, die ohne alle vier Gliedmaßen geboren wurde, spürt alle vier Gliedmaßen und gestikuliert mit ihren Phantomfingern. Sie hat intakte Phantomglieder. Ist BIID also das Gegenteil: es ist kein Phantomglied, aber ein reales (körperliches) Glied vorhanden?
Eine andere Frage lautet: Ist Misoplegie (die Ablehnung einer gelähmten Gliedmaße) BIID ähnlich? Misoplegie tritt sogar bei Tieren auf, die eines ihrer Glieder als fremd betrachten. Aber meistens sind Läsionen (Verletzungen) und Tumore Ursachen solcher Verhaltensweisen.
Brugger denkt, dass neurologische und psychologische Annäherungen an das Rätsel BIID nötig sind. Er spricht sich für einfache Beobachtung und Verhaltensforschung aus, um mehr darüber herauszufinden.
In der Diskussion fragte Paul McGeoch, ob vielleicht ein Glied, das im Mutterleib vorhanden gewesen ist, später resorbiert worden sei, womit man immer noch eine Selbstwahrnehmungs-Erinnerung dieses Gliedes annehmen könnte. Brugger antwortete, das sei möglich, aber es seien keine empirischen Daten darüber verfügbar. Dans Frage war, ob es im Gehirn eine Landkarte gibt, die sich unabhängig vom Körper entwickelt (ein Körperschema), was Brugger als eine Möglichkeit durchaus sieht. H.S. berichtete von einem von Geburt an „Amputierten“, der seine Krücken tatsächlich mag und auch die Art, wie er ist – so dass Körper und Gehirn gut zusammenpassen.

10) Dipl.-Psych. Aylin Thiel (Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland) berichtete über die Forschung, die von einem Team aus Priv.-Doz. Dr. Aglaja Stirn, Dipl.-Psych. Silvia Oddo, cand. med. Silke Skoruppa und ihr selbst durchgeführt wurde über die Frage: Was sagt das Gehirn über BIID? Forschung über BIID findet seit fast drei Jahren in Frankfurt statt. Zwanzig Teilnehmer wurden untersucht; von diesen waren 2 weiblich (zwischen 30 und 50 Jahren alt) und 18 männlich (zwischen 30 und 65 Jahren). Sie wurden interviewt, psychometrische Tests wurden durchgeführt und eine fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) wurde mit ihnen gemacht.
Die psychometrischen Tests ergaben keine Hinweise auf irgendeine gemeinsame Auffälligkeit. Nur eine leichte Tendenz im Hamburger Zwangsinventar: ein leicht erhöhter Grad an Zwanghaftigkeit als im Bevölkerungsdurchschnitt. Die einzelnen Teilnehmer unterschieden sich jedoch stark voneinander. Der erhöhte Wert für Zwanghaftigkeit wurde bei der (einzigen) Person, die ihre gewünschte Amputation erreicht hat und untersucht wurde, nicht gefunden.
Die Klinik bietet auch Beratung und Therapie für Menschen mit BIID an. Dabei verfolgt sie zwei Ansätze: Erstens zu erkennen, in welchen Situationen der Wunsch auftritt, und dann herauszufinden, wofür der Wunsch steht [d. h. für welches andere Bedürfnis]. Zweitens muss auch ein starker Wunsch nicht immer erfüllt werden – das gilt auch für BIID. Einige Personen, die beraten wurden, berichteten von weniger intensivem Leiden. Die Realisierung (Amputation) bleibt auch nach einer Therapie oder Beratung als Weg offen.

11) Dipl.-Psych. Silvia Oddo (Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland) ergänzte die Berichte der bildgebenden Gehirn-Untersuchungsverfahren (fMRT) von acht Personen mit BIID (die mit acht Personen einer Kontrollgruppe verglichen wurden). All Teilnehmer waren Männer, mit einem Durchschnittsalter von 46 ½ Jahren. Sechs ersehnten eine Oberschenkelamputation links, zwei eine doppelte Oberschenkelamputation. Alle hatten an einer Universität studiert; BIID hatte im Alter zwischen vier und sieben Jahren eingesetzt. Den Personen wurden im Block-Design Bilder gezeigt: zuerst von sich selbst, mit Amputation und mit Prothesen, dann von einer Person aus der Kontrollgruppe in diesen drei Zuständen. Dann wurde die Gehirnaktivität analysiert. Diese Analyse läuft noch, aber es ist schon klar, dass es deutliche Unterschiede zwischen der BIID- und der Kontrollgruppe gibt. Viele Gehirnregionen der Menschen mit BIID waren aktiv, wenn sie Bilder von sich selbst mit Amputation sahen (während die Kontrollgruppe in dieser Phase nur wenig Gehirnaktivität zeigte). Diese Aktivität fand im rechten oberen Scheitellappen statt, in Basalganglien, Emotions- und Lernzentren sowie dem Hypothalamus. Die Bilder von sich selbst (und von anderen Personen) mit Prothesen hatten keinen so massiven Effekt.
In der Diskussion über mögliche Wirkungen von Therapie oder Beratung stellte „Michael Gheen“ die Annahme auf, dass der Kontakt mit dem Therapeuten und die Tatsache, dass man überhaupt darüber sprechen konnte, das Leiden verringerte, insbesondere weil das Gefühl von Einsamkeit aufgelöst werden konnte. Aber das könnte etwas anderes als eine spezifische Wirkung auf BIID selbst sein.

12) Dipl.-Phys. Dr. phil. Sabine Müller (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, RWTH Aachen, Deutschland) hielt einen sehr umstrittenen Vortrag über die Frage: Sind Amputationen gesunder Gliedmaßen ethisch gerechtfertigt? Sie begann mit einigen Artikeln über die Frage wie denen von Christopher Ryan (“Out on a Limb: The Ethical Management of Body Integrity Identity Disorder”, Neuroethics, 2008). Auf der Grundlage eines häufig in der Medizinethik benutzten Modells behauptet Dr. Müller, dass die Sehnsucht, ein gesundes Glied zu verlieren, wahnhaft sei und dass deshalb Personen, die eine Amputation verlangen, nicht ihren freien Willen ausübten; ihre Bitte solle ihnen abgeschlagen werden, umso mehr als die behindernden Folgen zu hohe Kosten für die Gesellschaft verursachten, während das individuelle Leiden nicht wirklich groß sei (sie sagte, sie habe das irgendwo gelesen).
Ihr Vortrag beruhte auf ihrem Artikel „Body Integrity Identity Disorder (BIID) – Lassen sich Amputationen gesunder Gliedmaßen ethisch rechtfertigen?“ in: Ethik in der Medizin, Band 20, Nr. 4 (1. Dezember 2008), S. 287–299.
Die Diskussion begann damit, dass „Humpelstilzchen“ den Vortrag unterbrach und sagte, sein Leiden sei enorm, er habe schon geplant, sich selbst zu töten, und dazu wochenlang eine Waffe mit sich geführt. Wie sie (Müller) behaupten könne, dass das Leiden nicht schwer genug sei, um die Kosten für die Gesellschaft aufzuwiegen. „Michael Gheen“ argumentierte, dass eine Entscheidung, seine Frau zu heiraten, überhaupt nicht rational gewesen sei, aber eine der besten und wichtigsten seines Lebens. Die meisten wichtigen Entscheidungen seien weder rational noch irrational.
[Es wurde ziemlich deutlich, dass Dr. Müller ihre Gedanken nur auf einige Artikel und Theorie – sowie einige Vorurteile – gegründet hatte, nicht jedoch auf hinreichende eigene Kenntnis von Personen mit BIID.]

13) Professor Dr. Roswith Roth (Institut für Psychologie, Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich) änderte den Fokus der Tagung. In drei empirischen Umfragen hatte sie Psychologen, Chirurgen und Mitglieder von Ethikkomitees nach ihrer Akzeptanz für chirurgische Behandlung von Personen mit BIID und GID (Transsexualität) befragt: Zustimmung zu selbstgewählter Amputation: Antworten von Studenten und Experten.
In der ersten Umfrage wurden den Teilnehmern vier Szenarien vorgestellt, von denen jedes Informationen über BIID und GID sowie über Persönlichkeitsstörungen allgemein bot. Die Geschichte handelte von einem 24-jährigen Mann, der seinen Unterarm amputiert haben wollte. Dann wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie eine chirurgische Behandlung dieser Person akzeptieren würden. Bei GID betrachteten die meisten Teilnehmer die Operation als selbstverständlich. Der Grad der Zustimmung zur chirurgischen Lösung hing ab vom Bildungsgrad, und Frauen waren grundsätzlich offener als Männer (die oft Operationen ablehnten).
Die zweite Erhebung beruhte auf ähnlichen Geschichten, aber auch über weibliche Personen (mit GID oder BIID). Zudem wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie selbst jemanden mit GID oder BIID kannten. Wieder zeigten die Frauen eine größere Akzeptanz, und einer Operation für Menschen mit GID wurde von mehr Teilnehmern zugestimmt. Dabei wurde kein Unterschied gefunden bezüglich des Geschlechts der Menschen mit GID oder BIID.
Die dritte Erhebung testete die Akzeptanz von Operationen nach einer Psychotherapie. Die Teilnehmer wurden allgemein über BIID informiert. Auch in dieser Befragung akzeptierten höher gebildete und weibliche Personen häufiger Operationen für Menschen mit BIID als der Durchschnitt. Von den Experten zeigten die Chirurgen die geringste Akzeptanz für chirurgische Lösungen. Aber sie zeigten mehr Unterstützung für Operationen, wenn diese (wie bei Transsexualität) in Behandlungsleitlinien eingebettet wären.

14) „Andrew Becker“ war der einzige „erfolgreiche Wannabe“, der auf der Konferenz sprach. Es handelt sich um einen Mann, der sich eines seiner Beine von einem Chirurgenteam in Asien amputieren ließ. Er sagte, dass er BIID hatte, seit er vier Jahre alt war. Mit 45 Jahren las er in einer Zeitung von jemandem mit BIID, schrieb ihm und kam so in Kontakt mit anderen BIID-Betroffenen. BIID wurde über die Jahre schlimmer, und er wusste, dass er etwas unternehmen musste. Zu der Zeit hörte er von den BIID-Tagungen in New York. Er nahm an einer Tagung teil und wurde von Gregg Furth angesprochen, der „Andrew Becker“ den Weg nach Asien eröffnete, wo ein Chirurg ihm sein linkes Bein im Oberschenkel amputierte, als er 54 Jahre alt war. Er hatte das Glück, nicht einmal Operationsschmerzen gehabt zu haben; er hat keine Phantomschmerzen und bereut es überhaupt nicht – das einzige, was er bereut, ist, dass er nicht schon als Teenager amputiert worden ist.
Als Gregg Furth krank wurde (und später an Krebs starb), bat er „Andrew Becker“, als Mittelsmann für die Operationen in Asien zu dienen. Auf diese Weise übernahm er die Verantwortung. Er empfahl sieben Personen und kennt weitere elf „Absolventen“ der Klinik. Aber das Ärzteteam musste das Programm beenden, und so gibt es derzeit keine andere Option als Do-It-Yourself für die, die eine Amputation wirklich brauchen.

Zweiter Tag: Samstag, 7. März 2009
15) Professor Dr. med. Konrad Maurer (Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland) stellte eine Arbeit vor, die er zusammen mit Dr. D. Prvulovic, C. Matthes und Paul Meyer, B.Sc. (Gesellschaft für Freie Geistige Wissenschaft, Wiesbaden, Deutschland), über Imaginative Resonanz-Therapie (IRT): ein neuer Ansatz bei der Behandlung von Phantomschmerzen – eine fMRT-Studie unternommen hatte.
Phantomschmerzen scheinen aufzutreten, wenn andere Funktionen im Gehirn diejenigen Regionen übernehmen, die bisher für das nun fehlende Glied zuständig waren. Mit einer speziellen unintentionalen Imaginationstechnik konnte eine signifikante Verringerung von Phantomschmerzen bei ersten Patienten beobachtet werden, aber die Studie muss noch mit mehr Patienten über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden. Die Idee ist, eine ähnliche Methode bei BIID anzuwenden, mit dem Ziel, langsam die Aktivität im Gehirn zu verändern.
Mehr Informationen sind bei www.ir-training.de zu finden. [Ein erster (kurzer) Versuch von Dan hatte (noch?) nicht den erwünschten Effekt. Aber die Methode muss erst noch von anderen und über längere Zeit ausprobiert werden. Herr Meyer lädt Menschen mit BIID und Interesse an dem Verfahren ein, sich bei ihm zu melden.]

16) Dipl.-Psych. Timo Ole Nieder (Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Deutschland) stellte viele Einsichten in Ähnlichkeiten und Unterschiede von BIID und GID vor in seinem Referat über Geschlechtsidentitätsstörungen (GID): Falscher Körper oder falsche Seele?
Zwillingsforschung hat gezeigt, dass es eine Wahrscheinlichkeit von um die 50 % gibt, dass der Zwilling eines Transsexuellen ebenfalls transsexuell ist. Bis jetzt sind diese Ergebnisse aber nicht repliziert worden. Vielleicht ist es also genetisch? Doch die Daten reichen für so eine Aussage nicht wirklich aus. Daher erscheint eine interaktive Sicht, die biologische und psycho-soziale Faktoren einbezieht, bei der Erforschung von GID angemessen.
Die Parallelen zwischen GID und BIID sind verblüffend. Die Gefühle und ihre Beschreibungen sind sehr ähnlich. Transsexuelle kleiden sich wie das andere Geschlecht, Menschen mit BIID „pretenden“. Es ist in beiden Fällen keine bewusste Entscheidung, sondern ein Bedürfnis, und während manche (Frau-zu-Mann-) Transsexuellen eine Kindheit wie Jungen haben, sehen manche Menschen mit BIID jeden Weg daraufhin an, ob man ihn in einem Rollstuhl fahren könnte – dies als Beispiele. Auch die Schuldgefühle sind bei Menschen mit beiden Phänomenen zu finden. Doch gibt es sowohl unter Menschen mit GID als auch unter solchen mit BIID eine gewisse Heterogenität: Untergruppen, die sexuelle Gefühle erleben (in Form von Autogynophilie bei GID und Apotemnophilie bei BIID). Es überrascht nicht, dass man von Menschen angezogen wird, die so sind, wie man sein will.
Unterschiede zwischen GID und BIID bestehen darin, dass es bei GID um Geschlechtsmerkmale und bei BIID um Gliedmaßen geht. [Allerdings gibt es ja auch BIID, das nicht Gliedmaßen betrifft, siehe die laufende Studie von Prof. First.] Viele Menschen mit GID hassen ihre Geschlechtsmerkmale geradezu, während die meisten Menschen mit BIID ihre Gliedmaße(n) nicht negativ wahrnehmen. Menschen mit BIID fühlen sich selbst nach der Amputation nicht behindert, sondern erst ganz, Menschen mit GID fühlen sich physisch komplett. [Eher eine Ähnlichkeit als ein Unterschied, findet „Phil“.] Ein großer Unterschied ist, dass die Behinderung (Amputation) offensichtlich ist und auffällt, während eine Geschlechtsumwandlung unsichtbar ist (jedenfalls wünscht sich das die Person). Einige Menschen mit GID erreichen ein natürliches Erscheinungsbild, das der Geschlechterrolle entspricht, in der sie leben möchten. GID beginnt auch manchmal erst im Erwachsenenalter, während BIID weit überwiegend in der Kindheit schon vorhanden ist.
Nieder arbeitete einige wichtige Lehren aus der Geschichte der GID-Behandlung heraus: Transsexualität wurde zunächst als bedrohlich empfunden, war ein Tabu. Nach den ersten Fällen chirurgischer Behandlung fand eine politische und ethische Debatte statt. Forscher und Therapeuten versuchten, GID-Fälle in „echte“ und weniger echte zu klassifizieren, was zu schematischen Darstellungen der Persönlichkeit der Betroffenen führte. Therapeuten empfahlen bevorzugt solche Personen für eine Operation, die einen konventionellen Plan für ihre persönliche Zukunft hatten, zum Beispiel solche Personen, die danach eine heterosexuelle Person heiraten wollten. Die GID-Betroffenen lernten, das zu sagen, was von ihnen erwartet wurde. Aber wer möchte das kritisieren, wenn doch eines Menschen ganzes Leben von einer solchen Untersuchung abhing? Viel später kamen die Behandlungsleitlinien der World Professional Organization of Transgender Health (WPATH, Internationalen Fachorganisation für die Gesundheit von Transsexuellen) heraus, die festlegten, chirurgische Behandlung solle gewährt werden, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: die Bereitschaft (von der betroffenen Person selbst geäußert) und die Eignung (von Fachleuten bestätigt).
Die Frage: „falscher Körper oder falsche Seele?“ kann nur auf die folgende Weise beantwortet werden: weder – noch.
Nieder warnte davor, eine selektive Behandlungsatmosphäre zu schaffen und zu schnell und zu weit auf Leitlinien zuzusteuern. Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten sollten zur Verfügung stehen und angeboten werden, und individuelle Lösungen sollten gefunden werden.
Eine Frage von „Nelson“ war, ob es Transsexuelle gäbe, die ihre Operation bereuen. In einer Studie von 1993 (von Pfäfflin und Junge), so Nieders Antwort, konnten nur zwei von allen jemals dokumentierten Fällen gefunden werden, in denen die Betroffenen es bereut hätten. Auch aus seiner eigenen Erfahrung mit transsexuellen Personen konnte er sagen, dass sie es so gut wie nie bereuen, wenn es vorher eine akkurate und ausführliche Untersuchung gibt. Eine Frage von „Phil“ lautete, wie viele Transsexuelle sich zur Operation entscheiden. Es ist die Mehrzahl. Viele Personen kommen in die Klinik, um ihren eigenen Wunsch klarer zu erkennen und herauszufinden, ob ihnen (fetischartiger) Transvestitismus genügt oder ob sie eine Operation brauchen. Professor First fragte nach anderen Behandlungsoptionen für Transsexuelle. Nieder antwortete, dass man einen inneren Prozess durchleben müsse, um herauszufinden, ob andere Möglichkeiten für den Einzelnen bestehen; aber wenn keine davon ausreichen, kann die Operation ein guter Weg sein. Seit der ersten geschlechtsangleichenden Operation (die öffentlich beschrieben wurde: Christine Jorgensen) haben wir uns daran gewöhnt. Was BIID betrifft, sollten wir uns bewusst sein, dass die gleichen Fehler bei GID gemacht worden sind. Es gibt keine objektiven Maßstäbe für GID und für BIID und dafür, ob eine Entscheidung zur Operation angemessen ist oder nicht.

17) Ilse Martin (eine Frau mit einer Dysmelie aus Deutschland) stellte die Ergebnisse ihrer Diplomarbeit über Faszination Handicap – eine Sehnsucht nach Anderssein vor, in deren Rahmen sie eine Erhebung über „Devoteeismus“ (Amelotatismus) durchgeführt hatte. Mit einem Fragebogen konnte sie 161 Personen über ihre Vorliebe für Menschen mit Behinderungen befragen. Die meisten Teilnehmer (89 %) waren männlich; 53 % berichteten, dass ihr spezielles Interesse schon seit der Kindheit existiert. Nur 16 % sehnten sich danach, selbst amputiert zu werden. Für 53 % ist die Asymmetrie des anderen Körpers besonders attraktiv. Alle Teilnehmer sagten, dass sie sich schuldig fühlten und ihrer Gefühle schämten.

18) „Nelson“, ein deutscher Mann mit BIID in den Vierzigern, gab eine offene, lebendige und berührende Beschreibung: Ein Leben mit BIID leben. Der Wissenschaftler sagte, dass sein BIID schon so lange besteht, wie er denken kann. Am Anfang schien es, seine Sehnsucht sei es, eine „Behinderung“ zu bekommen, aber in den letzten zehn Jahren fokussierte sich sein Wunsch auf sein linkes Bein. Er hat keine Erklärung, woher diese Sehnsucht kommen könnte. Die Intensität seiner Sehnsucht hat sich rapid vergrößert, und sie hat sich auf eine linke Oberschenkelamputation fixiert. Er erlebt ein starkes Leiden; er fühlt sich keinen einzigen Tag „normal“, und die Gedanken an das Amputiertsein sind bei allem, was er tut, dabei. BIID geheim zu halten war hart, und erst seit er über das Internet andere Menschen mit BIID gefunden hat, konnte er beginnen, es als einen Teil seiner Persönlichkeit anzunehmen. Sein Traum ist, operiert und einbeinig zu werden, mit Krücken zu gehen, aber er will dennoch alles tun, was möglich ist, und so „normal“ wie möglich leben. Wenn er „pretendet“, einbeinig zu sein, fühlt er sich großartig und überhaupt nicht behindert. In seiner Wahrnehmung ist BIID weder eine Krankheit noch Verrücktheit, es ist auch nicht die Auswirkung einer schlechten Kindheit, und es gibt sehr viele Ähnlichkeiten aller Menschen, die ein Leben mit BIID leben. Beratungsgespräche halfen ihm, BIID von anderen Problemen zu unterscheiden, und BIID ist derzeit auf einem akzeptablen Niveau, aber er ist nicht von BIID „geheilt“. Er nimmt an Studien darüber teil und unterstützt die Suche nach einem Weg zu legalen Amputationen.

Die Podiumsdiskussion mit Dr. Aglaja Stirn, Timo O. Nieder, Dr. Sabine Müller, Prof. Dr. Wolf Singer und Prof. Dr. Erich Kasten war offen für Fragen aus dem Teilnehmerkreis.
Die erste Frage kam von Prof. Dr. Maurer: Gibt es auch ein BIID innerer Organe? Dr. Stirn bejahte, zum Beispiel gibt es BIID, das die Zähne betrifft. „Phil“ fügte den Fall ersehnter Inkontinenz hinzu. Dr. Müller sagte, sie habe von dem Wunsch nach Penisamputation bei Personen gelesen, die nicht transsexuell sind, und „die Woelfin“ erwähnte die vielen Fälle von Brustamputationen aus Angst vor Krebs, aber das ist nicht BIID. Das führte zum Problem der Schönheitschirurgie, durch die zum Beispiel in Asien Beine verlängert werden und andere Veränderungen des Körpers und Aussehens einer Person vorgenommen werden, bis zu einem Grade, dass Familienmitglieder die Person nicht mehr erkennen. Prof. „Michael Gheen“ brachte die Gabe von Wachstumshormonen an kleine Kinder als Beispiel. Manche Eltern wollen, dass ihr Kind größer wird als es ihrer genetischen Körpergröße entspräche. Es gibt eine heiße Debatte über dieses “voluntary enhancement” (freiwillige Verbesserung, Ertüchtigung) in den USA. Andere Beispiele wurden von T. O. Nieder eingebracht: dass Frauen ihre Schamlippen verkleinern lassen, oder auch Analbleichung. Das könnte aber auch kein Trend sein.
Professor Singer fragte, seit wann BIID aufgetaucht ist. „Phil“ erinnerte sich, von einem Fall aus dem 18. Jahrhundert in den Niederlanden gelesen zu haben, wo ein britischer Mann einen Chirurgen zwang, ihm sein Bein zu amputieren, und ihm später Geld mit einem sehr dankbaren Brief sandte. Dr. Müller bestätigte diese (bis jetzt) erste Erwähnung von BIID in der Literatur.
„Michael Gheen“ wies auf den Unterschied hin zwischen “voluntary enhancement”, das oft einer Person durch die Gesellschaft nahegelegt wird, und BIID, das tief in uns selber liegt. Das führte Professor Singer zu der Anmerkung, dass wir sehr oft „Korrekturen“ erlauben, die durch sozialen Druck ausgelöst werden, aber solche verbieten, die aus dem tiefsten Inneren eines Menschen kommen.
Dr. Müller berichtete über Gespräche mit Medizinstudenten, die oftmals mit einer chirurgischen Behandlung einverstanden sind, wenn eine Form von Normalität die Folge ist. Dagegen hätten medizinische Dienstleister eine ziemlich andere Haltung: sie tun fast alles, was der Patient wünscht.
H.S. brachte einen neuen Aspekt in die Diskussion, indem er zeigte, wie eine Amputation die Lebensqualität des Betroffenen und seines Partners steigern kann: In einem Fall eines „erfolgreichen Wannabes“ sagte die Ehefrau nach der Amputation, sie hätte ihren Mann hinter den Schuppen gezogen und selber die Axt benutzt, hätte sie gewusst, wie sehr die Amputation die sexuelle Potenz ihres Mannes steigern würde.
N.N. kritisierte, dass in Dr. Müllers Argumentation Rationalität und Willensfreiheit zu eng verbunden seien. Diese antwortete, dass sie es nur als frei (autonom) akzeptiere, wenn der freie Wille der Prüfung durch die eigene Urteilskraft standhalte. In ihren Augen sei eine Sucht (zum Beispiel zu rauchen) eine gute Analogie zu BIID. „Phil“ bat die Psychologen auf dem Podium, das aus der Sicht der Motivations- und Willenspsychologie zu kommentieren. (Aber keiner tat es.)
Professor Singer sagte, dass oft bewusste Entscheidungen nicht besser seien als unbewusste. Dr. Müller argumentierte daraufhin mit dem Begriff der „Vernunft“. Das provozierte einen Einwurf von „Michael Gheen“, dass in Dr. Müllers Augen „vernünftig“ wohl nur das sei, was ihr passt.
Professor First wechselte das Thema. Er sagte, wir seien jetzt aufgerufen, einen Chirurgen für ein Forschungsprogramm zu gewinnen. Chirurgische Behandlung solle für sorgfältig ausgewählte Menschen mit BIID verfügbar gemacht werden, nach ähnlichen Standards wie für GID. Professor Kasten verlangte Studien, die belegen, was hilft. Die BIID-Kommission (in den deutschsprachigen Ländern) möchte Behandlungsleitlinien entwickeln, aber dafür ist eine gewisse Zahl von Studien notwendig. Zudem sind die rechtlichen Voraussetzungen in Deutschland unklar. Chirurgen, die an einem Programm teilnähmen, begäben sich möglicherweise auf juristisches Glatteis. Man brauche Geld, um rechtlichen Rat zu bekommen. Und drittens müssten Vorschläge für Behandlungsleitlinien den medizinischen Fachgesellschaften vorgelegt werden.
T. O. Nieder sagte, die Leitlinien für GID existierten seit 1997 (?) und seien oft als erlösend missverstanden worden. Der positive Aspekt sei, dass man sich auf sie berufen könne; der negative Aspekt trete auf, wenn Menschen nicht ins Schema passen. Deshalb wird oft von „Leidlinien“ statt „Leitlinien“ gesprochen. Er bat alle BIID-Betroffenen, vor und nach der Operation gründliche Aufzeichnungen über ihr Wohlbefinden zu führen. Vergleichsdaten waren eine der wichtigsten Grundlagen der Leitlinien für GID. Die große Mehrheit der Betroffenen hat von diesen Leitlinien profitiert. Die diagnostische Frage war: Welche Entwicklung ist stabilisierend? N. N. betonte, dass es nicht darum geht, „Normalität“ zu erreichen, sondern dass „Wohlbefinden“ wichtiger sei.
Die britische Medizinethikerin McKinsey sagte, sie schreibe über BIID und Rehabilitation. Die Leute hätten oft das Problem, ein Anderssein als Krankheit zu sehen, als nicht angemessen in der Bandbreite zwischen Fähigkeiten und Behinderungen, und deshalb wollten sie eine Normalität durchsetzen. Aber eine „Transability“ (Wortschöpfung aus trans- und disabled = behindert, wobei ability Fähigkeit heißt) ist nicht notwendigerweise pathologisch (krankhaft) und deshalb nicht ethisch zu missbilligen. Juristisch ist eine chirurgische Behandlung in England nicht illegal, sie ist nur „unklug“, wenn man den Leitlinien folgt. Aus ethischer Sicht müsse man eine Leidensbilanz aufstellen, und es scheint, dass die Nachteile des Leidens an BIID bei weitem die Nachteile einer Amputation aufwiegen.
H.S., von Beruf Chirurg und selbst von BIID Betroffener aus den USA, sagte, es gebe jetzt genügend Belege dafür, dass eine Operation eine gute Behandlung sei, und dass wir jetzt eine Gruppe deutscher Chirurgen brauchten, die an der Teilnahme an einem Forschungsprogramm interessiert sind. Die Amputation war in fast allen Fällen extrem effektiv. Dr. Müller verdächtigte ihn, er spreche aus dem Interesse seiner Berufsgruppe heraus, was Professor Singer als eine einer Ethikerin unangemessene Unterstellung zurückwies. Frau Oddo fügte hinzu, dass sich die chirurgische Behandlung wirklich als erfolgreich gezeigt habe und sogar viel erfolgreicher als Psychotherapien, aber das Frankfurter Forscherteam hat bis jetzt nur drei Menschen mit BIID und Amputation gefunden, und das ist nicht genug. Sie appellierte an Personen mit BIID und Amputation, an der Forschung teilzunehmen.
Timo Nieder zog eine Parallele zum Beispiel von Harvey Milk (dem ersten gewählten offen schwulen Politiker in den USA) und regte an, sich mit BIID zu outen. Sobald die Mitmenschen erkennen, dass ein Mensch, der ganz normal ist und den sie persönlich kennen, diese Sehnsucht hat, kann sich die Wahrnehmung der Öffentlichkeit ändern.
„Michael Gheen“ stellte die rhetorische Frage: Wenn es zwei Behandlungsformen gäbe, beide gleich wirksam, eine chirurgische und eine medikamentöse Therapie, sollte er dann nicht frei sein, seine Entscheidung selbst zu treffen? (Und bis jetzt gibt es überhaupt keine nichtchirurgische Therapie.)
Kees, ein Niederländer mit BIID, berichtete, dass alle von seinem BIID wissen und niemand ihn für verrückt erklärte. Er wird von allen respektiert, und die meisten fragen, warum er seine Amputation eigentlich nicht bekommen kann.
Sogar Dr. Müller sagte, dass beide therapeutischen Optionen entwickelt und untersucht werden müssten, also auch die chirurgische.
Ein Soziologe wollte nicht so scharf Gesellschaft und Individuum getrennt sehen. Das Individuum sei immer auch sozial konstituiert. Es sei wichtig, „Normalität“ nicht auf repressive Weise anzuwenden, sondern sie in einem freien Diskurs zu klären, bei dem es sich um einen sozialen Prozess handle. Freie Entscheidung sei vollkommen richtig, aber sie geschehe oft in einer Krisensituation und daher brauche das Individuum oft Beratung. Er setzte sich für individuelle Beratung und für die Autonomie der Ärzteschaft ein.
H.S. wiederholte, dass die Wirksamkeit chirurgischer Therapie nur beurteilt werden könne, wenn sie stattfindet. Sie sollte eine gleiche Chance erhalten, und daher sei es zentral, irgendwie chirurgische Behandlungen in Gang zu bekommen.
Professor Maurer fragte, ob vielleicht Menschen mit BIID ihre Gliedmaßen wie Organe spenden könnten. „Michael Gheen“ antwortete, das sei bereits vorgeschlagen worden (auch von Christopher Ryan), und es sei möglich, Arme zu transplantieren. Die Transplantation von Beinen (auch nur von Kniegelenken) sei bis jetzt nicht erfolgreich genug, die meisten Beinamputierten seien mit Prothesen besser versorgt als mit einer transplantierten Gliedmaße.
„Nelson“ schlug vor, dass die künftige Forschung in einem engeren Netzwerk stattfindet. Für den Anfang sollten alle Forschungsteams ihre Daten austauschen. Und die nächste Tagung in 52 Wochen solle gleich jetzt geplant werden.
Dr. Stirn fragte, ob alle Menschen mit BIID gleich seien. Wenn man mit GID (Transsexualität) vergleicht, sieht man, dass nicht alle eine Operation wünschen. Selbstverständlich muss es Leitlinien dafür geben, wie lange eine Therapie versucht werden muss, bevor sie als unwirksam gelten muss. 300 Stunden psychoanalytischer (das heißt ein bis zwei Jahre) oder 60 Stunden einer Verhaltenstherapie sind die üblichen Grenzen. Wenn diese Therapien helfen, kann ein Klient vielleicht mit der Sehnsucht leben, ohne sie erfüllt haben zu müssen; vielleicht kann der Wunsch sogar so etwas wie ein „guter Begleiter“ werden. Oder man entscheidet sich zur Amputation. Sie stimmte dem Vorschlag zu, Datenbestände zu teilen, und sagte, sie werde in einem Netzwerk mitmachen.
Timo Nieder bezeichnete die Angst von Fachgesellschaften, auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden, als ein Hindernis auf dem Weg zur Amputation. Nur der Nachweis gescheiterter Psychotherapien hat es ermöglicht, zu den heutigen Behandlungsleitlinien für Transsexualität (GID) zu kommen. Die Schwierigkeit ist, dass die psychologischen und psychiatrischen Fachgesellschaften ihr eigenes Scheitern beweisen müssten. Und das alles hat zu Problemen in der Therapie geführt, denn transsexuelle Menschen kalkulierten so: Wenn ihre Psychotherapie scheitert, würden sie endlich die Operation bekommen, die sie von Anfang an wollten – keine gute Basis für eine Psychotherapie. Diese hilft Menschen mit GID sehr, soweit es um Unterstützung geht und darum herauszufinden, was für den Einzelnen gut ist. Aber der Therapeut muss vollkommen offen sein, es darf keine Atmosphäre des Entweder/Oder geben.
„Michael Gheen“ sagte, man solle die Standards für GID als Ausgangspunkt nehmen, Details ändern und damit beginnen.
Dan (der die Gruppe „fighting-it“ betreut) berichtete von seinen Therapieversuchen über viele Jahre mit keiner Wirkung auf BIID. Er bot bereits existierende Informationen an, die noch nicht von Forschern gesammelt worden sind, und sagte, er sei auch zu einer chirurgischen Behandlung bereit.
Professor Maurer fragte, ob es vielleicht ein therapeutischer Weg sein könne, die Gliedmaße so aufzuwerten, dass ein Verlust für das Individuum schlecht wäre, wie es bei Künstlern zu sein scheint.
N.N. fragte nach den Vorstellungen, die Menschen mit BIID darüber haben, was nach der Operation mit dem amputierten Glied geschieht. Die Antworten waren unterschiedlich, die meisten sagten, es sei ihnen gleich, und dass eine Gliedmaßenspende zur Transplantation das Beste wäre.
Professor First erinnerte daran, dass die meisten Therapeuten keine Ahnung von BIID haben und dass niemand weiß, welche Therapie hilft. Daher seien mehr Studien und Erfahrung nötig.
Frau McKinsey stellte die Frage, wohin die Konferenz führen könne. (Sie wurde aber nicht wirklich vom Podium beantwortet…)
Professor Maurer wollte wissen, ob die betroffenen Beine wechseln. Das ist individuell unterschiedlich. Manche sagen, ihr Wunsch habe sich verändert, bei anderen ist das nicht der Fall. „Andrew Becker“ und Dan sagten, in ihren Fällen seien sie fähig gewesen, die Beine zu wechseln oder sogar die Höhe der ersehnten Amputation. Professor Kasten ergänzte, dass in seinen Augen BIID nicht BIID sei; manche scheinen eine Behinderung zu wünschen, der Fokus anderer scheint ein bestimmtes Glied zu sein, das sie als fremd empfinden. Das könnte solche Änderungen erklären.
Dr. Brugger unterstrich das. Es gibt kein einheitliches Bild von BIID, und die Forschungsansätze sind ebenfalls recht verschieden. „Manche haben ein bisschen von allem“. Eine sehr große Stichprobe von Menschen mit BIID ist nötig, für eine Forschung, die besser koordiniert und kanalisiert sein sollte. Dr. Stirn sagte, dass sie auf diesem Gebiet nun schon länger forschen; vorher arbeiteten sie über Body Modification (die zunächst ebenfalls als pathologisch betrachtet wurde und nunmehr als eher natürlich angesehen wird). So kamen sie zur Forschung über BIID und organisierten diese interdisziplinäre Konferenz mit Experten für Paraphilien, GID usw. Sie denkt, dass die BIID-Forschung sich stärker an die Forschung über GID anschließen sollte. „Pretending“ als Alltagserprobung sollte gründlicher betrachtet werden. Die Psychodynamik von BIID sollte (im Rahmen einer Psychotherapie) erforscht werden. Ihr Team hat sich sehr viel Zeit für BIID genommen, einschließlich der Beantwortung einer Vielzahl von Journalistenanfragen. Sie sieht es als einen wichtigen Schritt an, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass die Entscheidung zur Amputation aus freiem Willen und wohlbegründet sein kann.
N.N. aus Amsterdam sagte, dass in einer Klinik eine kleine Konferenz mit Chirurgen in einigen Monaten organisiert werde. Die Diskussion solle überhaupt auch im kleineren Rahmen geführt werden, in Krankenhäusern, Forschungseinrichtungen usw.
Dr. Stirn antwortete, dass die BIID-Kommission für die deutschsprachigen Länder versucht, so viele Fachleute wie möglich einzubeziehen, auch Chirurgen, Psychiater usw.
Timo Nieder sagte, es gebe „Gender Teams“ (Geschlechts-Arbeitsgruppen) in Kliniken, die mit transsexuellen Menschen arbeiten. Es ist notwendig, die Last der Verantwortung zu teilen und sich auszutauschen. Er gab auch einen Kommentar zu psychotherapeutischen Strategien: In der Therapie vieler transsexueller Personen bieten psychodynamische Hypothesen ein gewisses Verstehen der Entwicklung des Einzelnen. Aber das sei keine Erklärung für BIID, es sagt nichts darüber aus, ob chirurgische Behandlung geeignet ist oder nicht.
Professor Singer sage, er sei kein Fachmann für BIID, aber sehr fasziniert davon. Grundlagenforschung sei notwendig. Wenn etwas so früh im Leben auftritt, ist eine kausale Behandlung oft außerordentlich schwierig. Daher sollte die symptomatische Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Professor Kasten zitierte den Satz eines Menschen mit BIID: „Ich bin doch nicht verrückt“, und er sagte: Er ist es wirklich nicht. Aus seiner Sicht sind alle Menschen mit BIID, die er getroffen hat, ziemlich normal. (Aber er müsse auch sagen, dass ein Psychotherapeut oftmals Probleme erst nach einer längeren Therapiedauer erkenne.) Bei BIID sei es wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, was ein zentraler Aspekt des therapeutischen oder Beratungsprozesses sei.
Leslee Snyder hat ein Theaterstück über BIID geschrieben und bat die Zuhörer bei der Suche nach einem Theater zu helfen, das es aufführt. (Sie kann über ihren Ehemann, Professor First, erreicht werden.)

Als Schlusswort dieses Versuchs eines kurzen Berichts von der Tagung möchte ich Professor Singer zitieren, der ungefähr sagte: Etwas, das so früh im Leben da war und so lang, etwas, das so tief in einer Person liegt, kann sehr wahrscheinlich nicht geändert werden.
Aber kann das jemand mit Sicherheit wissen?
riroba
Beiträge: 64
Registriert: Mo 28. Feb 2011, 15:44

Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 2521Beitrag riroba »

http://the-gist.org/2011/07/body-integr ... mputation/

Ein Artikel erschienen bei "The Glasgow Insight into Science and Technology" mit etlichen Literaturbelegen.
LAK1210
Beiträge: 1756
Registriert: Sa 15. Jan 2011, 16:27
Wohnort: Rheinland

Re: Literatur: Bücher und Artikel über BIID

Beitrag: # 2593Beitrag LAK1210 »

Es gibt zwei neue Bücher zum Thema Devotee und BIID:
bei www.HEDERABOOKS.com erschien:
Eduardo Cruchot, "Devotions - Stories for the Amputee and Disability Admirer", ISBN 978-1-257-92160-1 (schlecht zu lesen in der Vergrößerung der Abbildung, also ist vielleicht ein / ein paar Ziffern falsch)
Bei www.alexmernaert.com erschien (auch hier schwer die richtige Orthographie zu erkennen):
"Amputation on Request".
Ich nehme an, dass es sich um "den Alex" handelt. Auf dem Bild ist ein DAK + RBE, rauchend, im Rolli zu sehen.

Lg Euer LAK
Die Körperbehinderung jetzt ist ein Witz gegen das Leiden unter BIID!
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