Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

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florian37
Beiträge: 4
Registriert: Fr 28. Feb 2020, 16:30

Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

Beitrag: # 23744Beitrag florian37 »

Hallo zusammen,

nach langen Überlegen habe ich mich nun auch dazu entschlossen, meinen Beitrag hier im Forum zu posten. Ich freue mich auf euer Feedback.

Vielleicht kurz ein paar Sachen zu mir:

Ich selber leide unter BIID, möchte gerne mein rechtes Bein in Mitte des Oberschenkels verlieren (RAK). Diesen Wunsch habe ich bereits seit dem ich denken kann. Beinamputationen haben mich bereits in Kindesalter fasziniert und ich habe schon damals mir Bilder und Videos von amputierten Personen im Internet angesehen. Wenn ich an mir runter sehe, würde ich gerne nur mein linkes Bein sehen. Dort, wo aktuell leider noch mein rechtes Bein ist, würde ich gerne meinen schönen Oberschenkelstumpf bewundern können. Für mich ist die Vorstellung, mein Leben auf nur einem Bein leben zu dürfen/müssen einfach unvorstellbar schön. Wie gerne würde ich normale Situationen des Alltags auf diese Weise erleben. Hierbei würde für mich nicht in Frage kommen, eine Prothese zu tragen. Krücken würden mir hier ausreichen. Ich muss ehrlich gestehen, dass der Gang als Einbeiniger mit zwei Krücken für mich eine wundervolle Vorstellung ist. Die Vorstellung, nur noch meine linken Schuhe im Schuhschrank zu besitzen, meine Socken nach dem Waschen nicht mehr zusammen in Paaren in den Schrank räumen zu müssen sowie meine Hosen am rechten Bein abschneiden und zunähen zu können, ist für mich einfach unbeschreiblich.
Seit Jahren pretender ich zuhause (habe mir sowohl Unterarmkrücken als auch Achselkrücken im Internet bestellt, eine Stumpfsocke besitze ich auch schon), in die Öffentlichkeit habe ich es mich leider noch nicht getraut. Ich habe mir bereits zwei Hosen in einer größeren Größe bestellt, das rechte Hosenbein abgeschnitten und so gut es ging zugenäht. Der Anblick beim tragen dieser Hosen ist einfach unbeschreiblich. Oftmals schaue ich mich so längere Zeit im Spiegel an und bin einfach nur glücklich. Ich muss jedoch auch gestehen, dass mein Bein beim hochbinden nach einiger Zeit auch gehörig schmerzt, was das Ganze leider auch nicht einfacher macht. Eines Nachts habe ich es mich immerhin getraut, an ein einsames Baggerloch in der Nähe zu fahren und ein paar Schritte mit meinen Krücken als Einbeiniger zu machen. Jedoch habe ich ein großes Verlangen danach, genau so einmal unter Menschen beispielsweise durch die Stadt zu "gehen". Wenn es hier weitere Pretender gibt, wie löst ihr das Problem mit dem schmerzenden Bein?
Da ich gerade erst Anfang 30 bin und aktuell "Mitten im Leben" stehe, würde ich natürlich nichts unüberlegtes tun, um mein Bein zu verlieren. Sollte es jedoch irgendwann eine Möglichkeit geben, mein Bein auf sicherem Weg loszuwerden, würde ich keine Minute zweifeln.
Ich stelle mir jeden Tag (mehrmals) vor, wie schön es sein muss, ins Krankenhaus zu gehen und zu wissen, dass am nächsten Tag die gewünschte Operation stattfinden wird. Der Moment, in dem der Arzt dir die Narkose verabreicht, du einschläfst und wenn du aufwachst schon durch die Decke siehst, das dort, wo dein Bein war, nun der lang ersehnte Stumpf ist. Wie gerne würde ich die Decke bei Seite ziehen und den Anblick meines neuen Körpers genießen. Mit zwei Krücken und einem bein das Krankenhaus zu verlassen, es muss einfach ein unbeschreibliches Gefühl sein, welches ich mir aktuell leider nur vorstellen kann und hoffentlich irgendwann noch erleben werde.
Wie erwartet ihr das Gefühl im Krankenhaus, wenn es endlich passiert ist? Was würdet ihr zuerst machen?
Da ich mit dem Thema natürlich im Familien- und Freundeskreis alleine bin und mich niemandem anvertraut habe, freue ich mich auf eure Meinungen, Erfahrungen und Vorstellungen. Ich denke, dass der Austausch mit Betroffenen sehr hilfreich ist.
Daher danke für das Lesen meines doch länger gewordenen Textes und ich hoffe, dass ich euch mit meinen Gedanken ebenfalls ein wenig weiter helfen konnte.

Liebe Grüße,
Flo aus NRW
Kobold
Beiträge: 25
Registriert: Do 23. Jan 2020, 22:25

Re: Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

Beitrag: # 23745Beitrag Kobold »

Herzlich willkommen Flo.

Ich hoffe auf ein gutes Miteinander und hilfreichen Austausch.

LG Kobold
Madness till Wonderland
tempoprimo2003
Beiträge: 20
Registriert: Mo 2. Mär 2020, 07:11

Re: Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

Beitrag: # 23746Beitrag tempoprimo2003 »

Hallo Florian,
Deine Geschichte ist ähnlich wie meine, nur dass ich wesentlich älter bin als Du; vielleicht schreibe ich hier mal mehr. Bei mir fing es mit dem linken Bein an; heute pretende ich DAK im Rollstuhl.
Ich habe es an sich so gemacht wie Du (auch das Abschneiden und Umnähen der Hosen), zuerst nur zu Hause das wunderbare Gefühl genossen, amputiert zu sein, und erst mit 33 (voll Scham, im Laden, es gab noch kein Internet) Unterarmkrücken gekauft. Ich übte fleißig und ging dann zuerst nachts (wohnte damals im Erdgeschoss) zwischen 1 und 2 Uhr in unserem Viertel aus. Zu den Schmerzen kann ich nur sagen, dass Du sie bei gutem Training sicher länger aushältst; ich konnte zuletzt bis zu 3 Stunden auf einem Bein unterwegs sein. Den Stumpf selbst nicht zu fest verwickeln; den Fuß fest anlegen, ohne dass etwas abgeklemmt wird. Es lohnt sich, das lange auszuprobieren bis zur optimalen Fixierung. Das gesunde Bein habe ich zusätzlich ausstaffiert, damit die Oberschenkel gleich aussehen, ebenso den Hintern. Dann war ich auch frühmorgens unterwegs, anderswo, bis zum ersten Brötchenkauf. Im Auto habe ich mir für die Kupplung eine Handvorrichtung gebaut und dann auch längere Fahrten als Einbeiniger gemacht. Aus optischen Gründen (Parka überm Hintern) habe ich mich eher im Winter und sonst bei Schlechtwetter gezeigt, habe aber oft im Supermarkt und beim Discounter eingekauft und die verschämten Blicke genossen.
Mit 49 konnte ich dann meinen Rollstuhl erwerben und bin jetzt zu allen Tages- und Jahreszeiten unterwegs, gehe immer zu bestimmten Discountern, zur Apotheke, zum Friseur... Schubweise überfällt mich der Wunsch, endlich beide Beine real amputieren zu lassen. Den Wunsch, amputiert zu sein, habe ich nur immer wieder bis Mitte 20 zu unterdrücken versucht, aber das Bedürfnis ist stärker. Heute spricht man über das dritte Geschlecht etc., aber für Menschen wie uns gibt es keinen Ausweg. Pretending ist ein (mit Schmerzen verbundener) Kompromiss, aber immer noch der beste. Es ist kein Spiel, sondern muss sein. So lange Du das Bein nicht amputieren kannst, kann ich Dir nur wünschen, dass Du das Pretending so gut wie möglich ausbaust.

Herzliche Grüße
Tempoprimo2003
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Mila
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Registriert: Do 11. Jul 2013, 18:55
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Re: Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

Beitrag: # 23747Beitrag Mila »

hallo ihr zwei,
herzlich willkommen
vielleicht mögt ihr euch ja für den internen bereich anmelden.
wie´s geht wird hier erklärt
viewtopic.php?f=12&t=8
BennyLAK
Beiträge: 63
Registriert: So 12. Dez 2010, 02:44
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Re: Wunsch, Gedanken, Vorstellung - Weg zum RAK

Beitrag: # 23790Beitrag BennyLAK »

Hi Flo, hallo Tempoprimo2003,

beim Thema Pretenden kann ich Euch nur beipflichten. Ich habe es jahrelang nahezu wöchentlich praktiziert (allerdings nur bei angenehmen bzw. kühlen Temperaturen, bei Hitze ging das nicht richtig). Die ersten Krücken lieh ich mir in einem Sanitätshaus im Allgäu aus (war gerade alleine auf Fahrt in den Kurzurlaub) und ruck zuck wurde daraus mein erster Pretender-Trip. Wenig später erwarb ich für einen Euro ein Paar blaue Rebotec-Krücken über ebay. Dann konnte es losgehen - zunächst zum üben daheim, dann aber schnell raus und später hinein in die Öffentlichkeit der Innenstadt bzw. Fußgängerzone einer fremden Stadt (um nicht erkannt zu werden, klar). Ich wollte mit dieser "Behinderung" (für mich ist es keine, sondern meine "Vollendung" hin zum perfekten Körper) gesehen und wahrgenommen werden und mich in diesem (Traum-)Zustand fortbewegen, was unglaubliche Glücksgefühle mir bescherte.
Was die äußere Erscheinung als Beinamputierter anbelangt, wirst Du mit Übung dich schnell weiterentwickeln.

Irgendwann treten Schmerzen auf, das ist richtig und normal. Ich habe sie versucht zu ignorieren, so lange es ging. Ist eben ein nerviger Nebeneffekt beim Pretenden.
Viel interessanter fand ich die Phasen, als ich einbeinig Auto fuhr. Mir ist bewusst, das ist rein rechtlich wohl eine ordentliche Grauzone, wenn du pretendend hinterm Steuer sitzt. Aber die Fahrten mit einem Bein, sie waren herrlich. Und dann schläft das hochgebundene Bein ein und wird taub, bis weiter oben Schmerzen einsetzen, einfach nur... Steigst du aus und spürst nichts für ein paar Momente... das lässt dich für kurze Zeit wohl einem realistischen Amputationsgefühl sehr nahe kommen.

Liebe Grüsse vom
Benny
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