Meine Geschichte

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Milan316
Beiträge: 2
Registriert: Mi 13. Jul 2016, 15:34

Meine Geschichte

Beitrag: # 17898Beitrag Milan316 »

Ich, w, 16 Jahre alt, möchte meine Geschichte mit euch teilen:

Als ich ein kleines Kind war, spielte ich oft und gern, dass ich in irgendeiner Form behindert sei, am liebsten querschnittsgelähmt. Mich hat es einfach immer schon fasziniert, ich kenne den genauen Grund nicht. Ich mochte es nicht, wenn andere über Behinderungen redeten, weil es mein kleines Geheimnis war – inzwischen bin ich da lockerer.
Wenn ich in der Schule saß, Fernseher schaute oder einfach auf dem Bett lag versuchte ich oft meine Beine eine Zeitlang still zu halten. Mir gefiel die Vorstellung, dass ich leblose Beine hätte. Vorletzten Sommer, tat ich das besonders oft. Im Herbst darauf stieß ich auf BIID. Ich bestrafte mich ab da an immer mit heftigen, kleinen Zwickern am Handgelenk, wenn ich daran dachte, ich wolle eine QS haben, weil ich es nicht normal fand, was ich dachte. Mit der Zeit fand ich mich damit ab und mein Wunsch gelang etwas in Vergessenheit. Letztes Frühjahr find es dann mit meiner Essstörung an und Anfang Sommer bekam ich eine depressive Phase. Beides zog sich bis Mitte Februar 2016 hin. In dieser Zeit dachte ich kein einziges Mal an BIID, weil mich andere Dinge beschäftigten. Als mein Kumpel mir letztens von seiner Cousine erzählte, die aufgrund eines Saltos auf einem Trampolin an seinem Geburtstag einen Querschnitt erlitt, machte ich mir wieder Gedanken darüber.
Die letzten Tage war ich sehr fixiert auf Querschnittslähmung und allgemein BIID.
Ich weiß, dass ich eine QS im Bereich L1/ Th12 haben will, aber irgendwie auch nicht. Ich habe so ein glückliches, schönes Leben. Ich genieße es jeden Tag. Es fehlt mir an nichts. Ich liebe es morgens mit dem Fahrrad in die Schule zu fahren, Sport zu machen. Das könnte ich nicht im Rollstuhl.
Wenn ich gefragt werden würde, ob ich eine QS haben will, würde ich sofort mit JA antworten. Und ich male mir auch Szenarien aus, wie ein Unfall zustande kommen könnte, damit ich einen QS kriege.
Ich glaube es ist die Angst. Die Angst vor etwas Neuem. Vor der ganzen Umstellung.
Manchmal frage ich mich auch, ob ich das nur aus Aufmerksamkeit haben will. Aber ich habe alle Aufmerksamkeit der Welt – okay vielleicht nicht immer, aber ich bin zufrieden. Und sonst hätte ich diese Gedanken nicht schon als kleines Kind von 4/5 Jahren gehabt.
Ich frage mich auch häufig, ob ich denn auch von BIID betroffen bin. Es gibt ja Anzeichen, weil sowas kein „normaler“ Mensch denkt. Aber andererseits bin ich ja auch froh laufen zu können und das trifft garantiert nicht auf BIID zu. Ich kann es mit meiner damaligen ES vergleichen – ein Teil wollte unbedingt weiter in dieser Essstörung bleiben, weil es schön war abzunehmen, ein anderer Teil wollte wieder normal sein und das Leben genießen können, dieser Teil war aber deutlich kleiner.
Es ist ein verdammter Teufelskreis. Ich will nicht daran denken müssen querschnittsgelähmt zu sein zu wollen. Ich will, dass alles so bleibt, wie es jetzt ist, aber ich will auch querschnittsgelähmt sein.
Es war aber nicht immer so ein Widerspruch. Vorletzes Jahr wollte ich 100% einen QS haben. Ich weiß nicht warum es sich geändert hat.
-phorus-
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Re: Meine Geschichte

Beitrag: # 17899Beitrag -phorus- »

Hallo Milan316, danke für die Schilderung Deiner Geschichte!
Die Widersprüche gehören zu BIID absolut dazu.
Du musst Dich nicht selbst in einen bestimmten Karton einordnen, oder mach dann wenigstens Löcher 'rein. ;-)
Die genormte BIIDlerin gibts genau so wenig wie den genormten Menschen. Und das ist gut so.
In aller erster Linie bist Du ein Mensch, und wie Du ja erfährst, liebenswert. Das genügt als Schublade. Du wirst sehen, wie auch hier, in dieser Nische, eine ungeahnte und kaum fassbare Vielfalt herrscht. Finde heraus, was ganz speziell auf Dich zutrifft und was Dir gut tut. Auch wenn Du das vor allem selbst tun musst, lass Dir auch dabei helfen, wenn's geht.
Puh - das waren jetzt aber viele Ratschläge. Ich bin sonst nicht so... :-)
Willkommen und liebe Grüße,
Phorus
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Mila
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Re: Meine Geschichte

Beitrag: # 17903Beitrag Mila »

Hallo Milan316 und herzlich willkommen,

wie schon erwähnt die Widersprüche gehören dazu und sind völlig normal.
Du bist nicht die Einzige, die sportlich ist und genau weiß, dass ihr das nach erreichen der Wunschbehinderung fehlen würde. Mir fehlt übrigens das Radfahren sehr seit ich im Rollstuhl lebe. Dafür habe ich aber andere Möglichkeiten gefunden mich zu bewegen (von Sport kann man bei mir nicht wirklich reden :lol: )
Du schreibst selbst, dass Du ein schönes Leben hast und das auch sehr genießt. Dann koste das jetzt aus. Wie es später weitergeht überlegst Du Dir dann.
Hast Du Dich schon jemand aus Deinem Umfeld anvertraut?

LG
Mila
Rolline
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Re: Meine Geschichte

Beitrag: # 17911Beitrag Rolline »

Hallo Milan,

danke für deine Vorstellung, kann deine innere Widersprüchlichkeit sehr gut verstehen.
Habe das Biid Problem für mich zwar noch nicht lösen können, kann dir aber aus meinen Erfahrungen mit Transsexualität raten, nehm dir die Zeit zu dir zu finden, nicht immer ist alles von Anfang an klar, und manchmal verändert sich das Selbstbild, und irgendwie, irgendwann wirst du deinen Weg finden.

Lg Rolline
He.jo.gi
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Registriert: So 20. Nov 2016, 19:41

Re: Meine Geschichte

Beitrag: # 18750Beitrag He.jo.gi »

Aufmerksamkeit brauche ich nicht...ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen. Ich bin 13 und komme aus Thüringen. Ich wünsche mir seit ich 3 bin im Rollstuhl wegen einer Querschnittslähmung zu sitzen ich habe es geliebt Heidi zu sehen. Ich könnte es aber nie jemanden erzählen da sie mich alle für verrückt halten würden. Ich habe sehr starke Konzentrationsstörungen. Und es wird immer schwerer damit zu leben. Es ist so giep beser als ich vor einiger Zeit darauf gestoßen bin das ich nicht der einzige Mensch mit diesem Problem bin.
LG eure Helene
Nur starke Menschen bekommen schwere Wege
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BiidTom
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Re: Meine Geschichte

Beitrag: # 18783Beitrag BiidTom »

Ich habe die Widesprüche auch. Mein Leben ohne QSL ist und war schön. Wenn ich nicht einschlafen kann, frage ich mich wie das Leben mit einer QSL bis anhin gewesen wäre. In meinen Träumen wäre mein Leben mit einer QSL schöner verlaufen.

Ich wusste nichs von BIID, bis vor ein paar Jahren einen Medienhipe über BIID gab. Auf allen Sender gab es Sendungen über BIID. Dann stellte ich fest, dass ich den Beschreibungen nach BIID habe.

Vor 3 Jahren (mit 50) zwangen mich spätfolgen eines Motorradunfalls ab und zu einen Rolli zu benützen. Die spätfolgen wurden stärker und so bin ich auf der Arbeit und zum Einkaufen auf meinen Rolli angewiesen. Eigentlich auch zu Hause. Meine Wohnung liegt aber im 2. Stock ohne Fahrstuhl und sie ist auch nicht rollstuhlgerecht.

Obwohl ich die meiste Zeit im Rolli verbringe ist der Wunsch nach einer QSL sehr viel grösser geworden. Es fühlt sich einfach falsch an, dass ich alles unterhalb meines Bauchnabels fühle und aktiv bewegen kann. Ich muss aber ehrlichkeitshalber auch zugestehn, dass der Wunsch nach einer QSL da ist, weil ich endlich keine Schmerzen in den Knien haben will, da ich trotz sehr starken Schmerzmitteln immer noch ziehmlich starke Schmerzen rund um die Uhr habe. Ich glaube aber, dass der BIID-Anteil an meinen Wunsch grösser ist, da der Wunsch einer QSL seit ich 5 bin einen grossen Teil meines Lebens in Anspruch nimmt.
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