Zu empfehlen...

Badones

Zu empfehlen...

Beitrag: # 1284Beitrag Badones »

Hab mir die Woche ein Probeheft der Zeitschrift Handicap liefern lassen! Ist über 180 Seiten stark; sehr informativ!! Denke viele Bereiche ab was das Thema Behinderung angeht. Und hat mich auch etwas nachdenklich gemacht...
Die Zeitschrift zeigt zum einen welche Möglichkeiten/ Hilsmittel etc es gibt aber auch viele Probleme die mit einer Behinderung einhergehen, sei es sozial, sei es gesundheitlich, sei es beruflich, sei es in der Freizeit! Zum einen kam mir wieder weng das schlechte Gewissen solchen die unfreiwillig durch Unfall oder Krankheit versehert/ behindert wurden gegenüber; aber auch die Befürchtung das manch einer hier - auch ich- etwas zu blauäugig mit dem Wunsch amputiert oder gelähmt etc zu sein um zu gehen!
Auf jedenfall kann ich die Zeitschrift sehr empfehlen uns allen, das Probeheft kommt kostenlos, und als ich zwei ältere Ausgaben nachbestellte kam die Email das sie mir eine weitere Ausgabe schenken!
Vielleicht wenn noch der eine oder andere sich mit der Zeitschrift beschäftigt kommt es zu weiteren interessanten Diskussionsrunden/Themen hier!!
Badones

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1285Beitrag Badones »

Sorry- ich vergass den Link: www.handicap.de
LAK1210
Beiträge: 1756
Registriert: Sa 15. Jan 2011, 16:27
Wohnort: Rheinland

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1286Beitrag LAK1210 »

Lieber Badones,

vielen Dank für den Link.
Ich denke, dass es genau das Richtige, was Du da schreibst. Das Leben als Behinderter ist mehr als nur Bilder gut aussehender erfolgreicher und mitten in der Gesellschaft stehender Menschen. Es ist auch die Mühsal des Alltags...heute hatte ich meine ersten Prothesen-Geh-Versuche. Mühsam, aber erfolgreich. Nach zwei Umbauten konnte ich die Interimsprothese mit nach Hause nehmen und werde üben. Hart üben.

Lg Euer Lak
Die Körperbehinderung jetzt ist ein Witz gegen das Leiden unter BIID!
Lilly
Beiträge: 42
Registriert: Sa 11. Dez 2010, 15:57
Wohnort: Niedersachsen

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1290Beitrag Lilly »

.....das Magazin bekommen wir regelmäßig. Ich finde es auch sehr interessant.

Badones, du hast recht. Da ich jeden Tag hautnah miterlebe, wie sehr eine Querschnittlähmung jemanden einschränkt, würde ich mich im Ernstfall wahrscheinlich dagegen entscheiden.
Ich fühle mich so wohl wenn ich im Rolli unterwegs bin und das tue ich inzwischen auch öfter und auch in der Öffentlichkeit. Es geht mir dann einfach nur gut und ich bin glücklich. Aber die Realität holt mich meist ganz schnell wieder ein und die ist selten einfach, bzw. erstrebenswert.

Falls jemand Interesse hat, stellt mir ruhig eure Fragen. Ich werde sie ehrlich und ohne Beschönigung beantworten.

LG Lilly
*Das Glück geht nicht zu Fuß*
Phil

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1294Beitrag Phil »

Hi Lilly,

wenn es nicht um eine Querschnittlähmung, sondern "nur" um doppelte Oberschenkelamputation ginge, wie groß wäre Deiner Ansicht nach der "Behinderungsunterschied" zwischen DAK und QS?

Komische Frage, ich weiß.

Wenn Du den Alltag eines Rollifahrers so anschaust, was schätzt Du, wie viel Zeit geht für behinderungsbedingte Umständlichkeiten, Umwege usw. drauf?

Was mich auch interessiert: Was kostet eigentlich das Behindertenleben mehr?

Was ist die größte "Behinderung" aus Deiner Sicht (also was sind die größten Barrieren, ob nun baulich, seelisch, ökonomisch oder im Zwischenmenschlichen)? Was stört Dich am meisten, was macht Deinem Mann am meisten zu schaffen?

Das sind jetzt hübsch unkonkrete Fragen, ich weiß. Aber mir geht's ja auch um den Eindruck aus dem vollen Leben, und den kannst und sollst Du aus DEINER Sicht geben.

Lieben Gruss
Phil
Lilly
Beiträge: 42
Registriert: Sa 11. Dez 2010, 15:57
Wohnort: Niedersachsen

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1306Beitrag Lilly »

Hallo Phil,

den Unterschied zwischen einem Querschnitt und DAK, würde ich aus der sportlichen Sicht beantworten.
"Bei einem Amputierten, funktioniert alles was da ist".
Beim Handbike z.B. gibt es verschiedene Schadensklassen. Da ist ein Gelähmter schlechter gestellt als ein Amputierter.
Bei einem Querschnittgelähmten, hängt eben ein Teil seines Körpers meist bewegungslos und schwer an dem gesunden Teil dran. Und der Teil muss eben auch mit bewegt werden.

Wieviel Zeit drauf geht? Gute Frage. Also allein das Anziehen und die Verrichtungen im Bad dauern schon mal gut doppelt so lange. Dann bekommt man häufig keinen geeigneten Parkplatz, denn den brauchen ja die "Normalen Menschen" häufiger ;-)
Weiter geht es mit Fahrstuhl und Behindertentoiletten suchen.
Dann muss man viel Zeit für Planungen einrechnen. Wenn man etwas unternehmen will, kann man lange nicht so spontan sein, wie gehende Leute.
Ein Beispiel. Wir sind jedes Jahr zum großen Marathon in Berlin und wollten einmal eine Schiffstour durch das Regierungsviertel machen. Wir also im Internet recherchiert nach barrierefreien Anlegestellen und Schiffen. Zur Absicherung haben wir auch noch bei der Reederei angerufen und uns versichern lassen "Alle unsere Schiffe sind barrierefrei". Wir also guten Mutes früh am Morgen dorthin und siehe da, eine Treppe mit 30 Stufen trennte uns von dem Anleger. Ich, meinen Rollimann dort oben geparkt, laufe runter und frage die Dame am Kartenverkauf wie ich meinen Mann denn nun dort hinunter bekomme. Die Antwort: suchen sie sich jemanden der ihnen tragen hilft!
Fazit: Die Schiffe waren schon barrierefrei, aber dahin musste man erstmal kommen.
Wir haben etwas anderes unternommen.

Zu den Kosten:
Viele Behinderungen kosten sehr viel Geld. Wir haben einen Bekannten, der ist Blind. Nur mal die Freizeitdinge gesehen. Kartenspiele und Uhren kosten schon mal das dreifache von unseren vergleichbaren Dingen. Und trotzdem haben WIR speziell hier einige Vorteile. Da ein Rollifahrer immer ein "B" für eine freie Begleitung im Ausweis hat, kommen wir fast überall für den halben Preis rein. Kino, Theater, Schwimmbad und Sauna, Konzerte usw. Bus und Bahn können wir sogar manchmal kostenfrei, beide nutzen.
Und das nutzen wir so gut es geht eben auch aus.

Die größte Behinderung aus meiner Sicht, sind eindeutig Treppenstufen, die seelischen Tiefs, die immer mal wieder auftauchen und auf jeden Fall die falschen Ansichten und Verhaltensweisen unserer Mitmenschen.
Keiner hat wirklich Ahnung und weis doch alles ganz genau ;-)
Da wird der Rolli schon mal einfach an die Seite geschoben, oder ungefragt irgendwelche Schalter betätigt, obwohl man das gar nicht braucht.

MICH stört am meisten, das mein Mann nie für voll genommen wird. Die Leute sprechen immer mit mir, über den Kopf meines Mannes hinweg. Natürlich auch, wenn es eigentlich um ihn geht. Rolli = doof!

Was meinen Mann am meisten stört, hmmm.
Ich habe schon von ganz vielen Rollimännern, die es in unseren Bekanntenkreis eben gibt, gehört, das sie sich nichts sehnlicher wünschen würden, als endlich wieder richtig pinkeln zu können.

DAS zum ersten :-)
Ich hoffe, ich konnte einige Fragen beantworten. Noch mehr davon?
Her damit!

ich wünsche euch einen schönen Sonntag
Lilly
*Das Glück geht nicht zu Fuß*
Phil

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1311Beitrag Phil »

Hi Lilly,

danke für diese Auskünfte und Einblicke, die ich sehr interessant und wichtig finde!

"auf jeden Fall die falschen Ansichten und Verhaltensweisen unserer Mitmenschen.
Keiner hat wirklich Ahnung und weis doch alles ganz genau"...

Ja, das ist leider nicht nur in Bezug auf Behinderte so.

"Und jetzt seh i immer mehrer,
was bei uns im Argen ist:
A jeder Deutsche is a Lehrer
und a Freizeitpolizist"
(Konstantin Wecker)

Naja, gar so schlimm ist es auch nicht. Woher sollen die Leute wissen, wie man mit Rollifahrern umgeht, wenn sie allenfalls im Fernsehen welche sehen, die dann entweder ganz arme Schweine sind (Problemfilm) oder aber strahlende Helden (Paralympics)? Wenn die Kinder mit Behinderungen sauber separiert werden und in andere Schulen "gehen" (oder rollen)?

Wissen, wissen, wissen - erklären, erklären, erklären - dann können die Leute verstehen. Mühsam, und jeden Tag fängt man aufs Neue damit an, aber einen anderen Weg gibt es nicht.

Leider werden uns allen die Gehirne ja eher mit Unsinn verstopft.

Weitere Fragen:

Wie oft kommt es denn vor, dass man sich im Rolli über ein Hindernis tragen lässt (und dass auch jemand da ist, der trägt)?

Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr: klappt das? Fahrt Ihr auch mal im Fernverkehr Zug? Wie klappt das? Vor allem beim Umsteigen - schafft man denn Anschlüsse?

Die seelischen Tiefs, wie entstehen die? Was löst die aus? Wie geht man damit um? (Diese Tiefs hätten wir ja eher nicht, denke ich.)

Wenn man im Rolli für geistig behindert gehalten wird, das ist schon krass. Wie oft passiert das?

Lieben Gruss
Phil
Badones

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1317Beitrag Badones »

Denkt ihr wirklich das die Leute einen Rollifahrer gleich als geistig behindert halten?? Oder fühlen sie sich einfach nur unsicher oder verlegen und reden deswegen lieber mit der Begleitperson??!!
Lilly
Beiträge: 42
Registriert: Sa 11. Dez 2010, 15:57
Wohnort: Niedersachsen

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1319Beitrag Lilly »

@ Badones: Beispiel: Auf einem Weihnachtsmarkt läuft ein Weihnachtsengel herum und verteilt an die Kinder Bonbons. Dort trifft er zufällig auf zwei Rollifahrer, die in Begleitung den Weihnachtsmarkt besuchen. Der Engel kommt auf die vier Leute zu, beugt sich herab und reicht jedem der Rollifahrer ein Bonbon. Den Begleitern natürlich nicht. Wie würdest du das nennen?

Nein, ernsthaft. Wenn wir in einen Laden gehen und mein Mann sich nach einem Computer erkundigt. Warum kann man IHM dann nicht die Antwort auf seine Frage geben, sondern antwortet mir, die hinter ihm steht. Wenn MICH jemand fragt "Wie geht es ihm denn"? obwohl mein Mann daneben steht, dann zweifel ich schon manchmal an der Denkweise von meinen lieben Mitmenschen.

allgemein:
Wir fahren im Regelfall mit dem Auto. Da sind wir doch spontaner und haben eben oft auch die Sportgeräte dabei, die in keine Tasche passen. Aber wir sind auch schon mit dem Zug gefahren. Man muss sich dort einige Tage vorher anmelden, damit ein Lifter bereitsteht, denn einfach so kommt man in den Zug mit dem Rolli nicht hinein. Aber wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Personal gemacht. Die waren immer zur richtigen Zeit am angegebenen Ort.
Allerdings haben wir auch schon umplanen müssen, weil z.B. in Kassel niemand dort war, der meinen Mann aus dem Zug geholt hätte. Dann kann man dort eben nicht aussteigen. Sowas gibt es auch.

Tja, was die seelischen Tiefs angeht, das ist ein sehr komplexes Thema. Diese Menschen haben ja meist etwas sehr Schlimmes erlebt und müssen mit diesen Erinnerungen und Erfahrungen dann eben weiterleben. Manchmal reicht ein Wort oder ein Name aus, das die Erinnerung ganz plötzlich wieder da ist. Dann kann es ganz schnell zu einem riesen Loch kommen, in das derjenige dann hineinfällt. Ich kann ja immer nur von uns sprechen. Wir schreiben im Moment ein Buch. Speziell über sein und unser Leben.
Da kommen die Erinnerungen jetzt ganz geballt hoch. Die Gefühle und Ängste sind ganz plötzlich wieder da und da muss ich dann ganz doll trösten, damit er da auch wieder raus findet.

Hoffentlich hab ich die Fragen beantworten können. Bin gespannt ob noch mehr kommen.

Liebe Grüsse Lilly
*Das Glück geht nicht zu Fuß*
Badones

Re: Zu empfehlen...

Beitrag: # 1321Beitrag Badones »

Und trotzdem hast du das begehren noch in dir selbst Rolli zu fahren??!! Das klingt mir nach einem sehr scharfen zweischneitigen Schwert in eurer Beziehung!! Da muss die Liebe ja sehr gross sein zwischen euch beiden um damit umzugehen!! Meinen Glückwunsch!!
Antworten