Gesprächskiller

Phil

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 782Beitrag Phil »

anna hat geschrieben:ich persönlich hätte mein BIID nämlich lieber seelisch als tatsächlich körperlich geheilt..und bezweifle zugleich, ob das möglich ist..
Es scheint nicht ganz unmöglich zu sein, ich kenne jetzt drei Menschen, deren BIID verschwunden oder so verringert ist, dass sie gut damit leben können, zwei Männer und eine Frau.

Die Frau: http://transabled.org/thoughts/other-th ... ?author=83

Einer der Männer: http://biid.amputierte-woelfin.de/viewt ... ?f=11&t=57 (dort mein Posting vom 24. Dez., 00:44 Uhr)

Der andere Mann ist mir auch persönlich bekannt. Er hat nur eine kurze Zeit (und damals ohne besondere Wirkung) therapeutischer Gespräche in Frankfurt a.M. gehabt. BIID ist dann später einfach verblasst und zur Zeit kein Thema. Vielleicht kommt es wieder, aber im Moment ist es einfach weg.

Viele kennen vorübergehende Erleichterung oder Besserung. Wenn es dann zurückkommt, ist es besonders fies. Aber vielleicht kommt es bei manchen auch nicht zurück.

Niemand weiß wirklich, was möglich ist, vor allem nicht im Einzelfall.

Viele Grüsse
Phil
LAK1210
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Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 784Beitrag LAK1210 »

Genau die sorgfältige Beobachtung und Dokumentation solcher Fälle ist m.E. besonders wichtig für viele hier, die sich die Op nicht leisten können, oder die sowieso nicht operativ von BIID geheilt werden können.
Daher möchte ich Dir, lieber Phil, im Namen aller für Deinen Fleiß und Deine Informiertheit danken

Liebe Grüße von der Mosel an die Isar
Dein Lak
Die Körperbehinderung jetzt ist ein Witz gegen das Leiden unter BIID!
Phil

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 785Beitrag Phil »

Lieber Lak,

dieser sogenannte Fleiß ist eine Übersprungshandlung, ein Ersatz, der Versuch, dem ganzen irgendeinen Hauch von Sinn zu geben, mich abzulenken, aber mit untauglichen Mitteln und auf untaugliche Felder...

Liebe Grüße
Dein Phil
BiCur
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Registriert: Fr 10. Dez 2010, 22:56

Re: Gesprächskiller ... Alternativen zur OP

Beitrag: # 786Beitrag BiCur »

Viele kennen vorübergehende Erleichterung oder Besserung. Wenn es dann zurückkommt, ist es besonders fies. Aber vielleicht kommt es bei manchen auch nicht zurück.

Niemand weiß wirklich, was möglich ist, vor allem nicht im Einzelfall.
Ob und in welcher Form "es" zurück kommen könnte weiß ich momentan auch nicht so genau, habe aber im letzten halben Jahr, seit bei mir einige emotionale und mentale "Knoten" geplatzt sind, eine erstaunliche und für mich auch NEUE Erfahrung gemacht, nämlich, dass ich es NICHT mehr schaffe - auch nicht mit ganz gezielter Absicht - in meine alten RAK-Fantasien einzusteigen und dabei die gleiche Faszination und/oder Lust zu empfinden wie früher.
Es fühlt sich an wie durch einen "Nebelschleier" eine alte, abgestandene Suppe nochmal aufwärmen zu wollen, was aber gar nicht gelingt, und sich sogar eine gewisse Abneigung oder ein Ekel bemerkbar macht.
Der "Automatismus" (sozusagen der "Tiger im Dschungel"), der mich früher sehr oft da gewaltig hinein gezogen hat, ist seit Längeren komplett weg.
Dafür gibt es noch Phasen wo ich halbwegs "lustvoll" überlege, ob ich mir BIID als Erinnerung bzw. als "Schoßhündchen" in Form eines amputierten Zehs oder sogar Fingers leisten könnte, und auch dann kontinuierlich, weiterhin fasziniert und sogar stolz darauf damit leben wollte.
Aber selbst dessen bin ich mir absolut nicht, und auch nicht durchgehend sicher ...?!!

NICHTS im Leben ist unabänderlich SICHER außer d.. ... ?!!! Auch BIID nicht !

eins kann ich nur sagen (und andere Ex-BIIDler haben das auch so erfahren): Nach der Op ist BIID weg, und zwar so auffällig weg, dass es das erste war, das ich nach dem Aufwachen gespürt habe. Und es ist nicht wiedergekommen.
Ich finde dieses Statement nicht ganz so erstaunlich oder außergewöhnlich wie es vielleicht erscheinen mag.

Wenn ein Mensch ein Leben lang darunter gelitten hat, dass er nicht den tollen Porsche haben und fahren konnte, den der Freund, Nachbar oder Vorgesetzte hatte; wenn er wirklich gelitten hat darunter, dass er nicht den abenteuerlichen Erlebnis-Urlaub in Alaska, in der Südsee oder am K2 erleben konnte ... und vieles andere, Vorstellbare mehr, dann ist es doch VÖLLIG klar, logisch und NORMAL, dass dieses Leiden, Bedauern und Zerissensein zwischen Bewunderung und Neid in dem Moment ein Ende hat, in dem es ihm gelungen ist, dieses Ziel nun schließlich auch selbst zu Erreichen!

Anders herum gibt es doch zahlreichste Beispiele erfolgreich realisierter "Lebensträume" und "Visionen" auch bei Prominenten, von denen man aber auch nicht immer so genau weiß, ob man sie am Ende dann bewundern, beneiden oder bemitleiden soll, dass sie "ihr Ziel" nun schließlich erreicht haben - mit allen Schattenseiten und Konsequenzen (die allesamt nicht unter den Tisch gekehrt werden sollten)!
Beispiele gefällig:
- Der Altbundeskanzler Kohl hatte nach verbürgten Berichten von Zeitgenossen schon in der Tanzstunde zu seiner Hannelore gesagt: "Isch werd' mal Bundsskansler!"
- Ebenfalls Altbundeskanzler Schröder rüttelte mal nachts auf dem Heimweg von einer Kneipentour mit Genossen allerheftigst an den Gitterstäben des Kanzleramtes mit den Worten: "Da willich 'rein!"
- Der heutige Papst soll schon als Kind in Bayern beim Anblick eines Bischofs im vollen Ornat ausgerufen haben: "So einer will ich mal werden!"

Also, wird werden was wir denken, wünschen und wollen ... ! Es geht !

Aber wie die "gute Fee" schon des öfteren warnte: "Überleg' dir gut was du dir wünschst, denn es könnte Wirklichkeit werden ...!"

In diesem Sinne, LG, BiCur ;-)
Phil

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 787Beitrag Phil »

Hi BiCur,

ich denke, dass ungefähr zehntausend Leute mal gesagt haben, dass sie Bundeskanzler oder Papst oder so was werden. Scherz und Ernst lassen sich da kaum auseinanderhalten.

Und wie viele Menschen beten um etwas oder für jemanden, und es tritt NICHT ein?

Ich kenne niemanden, der seinen BIID-Lebenstraum verwirklicht hat und es dann bereut hat oder der die Schattenseiten zu stark zu spüren bekommen hat. Nur von einem Fall habe ich mal gehört, einem Mann, der nach der Amputation schreckliche Phantomschmerzen bekam. Die sind nach langer Zeit dann wohl besser geworden.

Natürlich freut man sich über jedes erreichte Ziel. Aber es gibt schon Unterschiede.

Erfolgreich abgeschlossene Arbeiten, Reisen in ferne Länder, erreichte Bildungsabschlüsse, all das war nach dem Erreichen dann nur vorübergehend schön.

Das schwule Coming-Out war für mich eine große Befreiung, mit dem anderen gar nicht zu vergleichen. Nach vielen Jahren war es dann auch nicht mehr so toll und neu.

Aber das Leiden an dieser Sehnsucht war und ist weg. Ich weiß jetzt - in dieser Hinsicht - wer ich bin, was ich will und wie ich es bekomme. Soweit man es "bekommen" kann, das Wichtigste wird einem ja geschenkt.

Und Leute, die ihr BIID weg haben, weil ein Bein weg ist, sind noch nach Jahren ganz glücklich und befreit und erleichtert, wie eben auch Transsexuelle.

Leider gibt es aber noch keine Langzeitstudien, und ich kenne auch nur wenige Menschen, die schon einige Jahre amputiert sind. Aber wie lange kann ich warten?

ANDERERSEITS ist natürlich sehr bemerkenswert, wie es Dir geht: "emotionale und mentale Knoten geplatzt", daraufhin BIID verblasst, gar nicht mehr zu nutzen als schöne Fantasie und nicht mehr Automatismus.

Das hatte ich vorübergehend auch, aber nur vorübergehend bis jetzt. Vielleicht schlingen sich die mentalen und emotionalen Knoten wieder zu? Wie hält man sie offen? Wie kriegt man noch mehr Knoten zum Platzen?

Lieben Gruss
Phil
-phorus-
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Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 791Beitrag -phorus- »

Liebe Leute, gerade gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer alten Freundin, die meine spezielle Neigung seit langer Zeit kennt und meinen Werdegang der letzten Zeit erfragte. Es ging dabei u.a. darum, daß ich mir für meinen Wunsch, ein für mich attraktives Bein(paar) amputieren zu können bzw. (zweitbeste Lösung) dabei aus nächster Nähe zusehen zu dürfen, nur die absolute Zustimmung meines Gegenübers vorstellen kann. Seit längerem hatte sie die Frage beschäftigt, wie ich damit umgehen würde und könnte, wenn sich später herausstellen sollte, daß mein Gegenüber diesen Schritt bereut, und ob mich diese Möglichkeit nicht abhalten würde von der Verwirklichung meines Wunsches, selbst wenn alles ganz positiv aussähe. Abgesehen davon, daß dies den Blickwinkel in Richtung "ausführendes Organ", d.h. also auf die/den entsprechende/n Chirurg/in mit Ihren/seinen ganz eigenen Gefühlen, Verantwortlichkeiten usw. lenkt (was mir hier gelegentlich zu kurz kommt), hatte ich zunächst einen gewissen Unwillen gegenüber dieser rein hypothetischen Fragestellung. Erst heute ist mir eingefallen, warum. Ich schrieb meiner Freundin also:

"Liebe xyz,
nach unserem gestrigen Gespräch, in dem Deine Frage eine Rolle spielte, was wäre, wenn die Entscheidung einer Person, die mein Gegenüber wäre, im Nachhinein – also zu spät – die Feststellung träfe, daß ihr Begehr nicht zutreffend war, habe ich diese Fragestellung, die m.E. ausnahmslos jede von BIID betroffene Person beschäftigt, noch einmal untersucht. Da sie in Bezug auf mein Verhältnis zu von BIID betroffenen Personen gestellt war, war gleichzeitig der Blick verstellt, was sie für jene Personen selbst bedeutet.
Es ist ja so, daß gerade für die Gegner von operativen Eingriffen zur Behebung dieses Druckes diese Frage als Argument gegen eine solche Maßnahme herhalten muss. Natürlich ist sie deshalb unbeliebt bzw. in Misskredit geraten, weil sie im Verdacht steht, Außenstehenden die Überlegungen zu dem BIID-Phänomen ersparen zu sollen. Führt dies tatsächlich zu einer grundsätzlichen Ablehnung eines operativen Vorgehens, wird sie von Betroffenen um so mehr verneint, weil durch das Verdikt eines operativen Vorgehens die sich doch erst in der Realität zu bewährende Fragestellung erübrigt. D.h. für sie stellt sich die Frage plötzlich nicht mehr, weil sie im Bereich des Hypothetischen verharrt. Man kann weiter von goldenen Zeiten phantasieren. Umgekehrt ist ein Betroffener um so mehr seiner Sache, seines Wunsches sicher, je unwahrscheinlicher es ist, tatsächlich ernsthaft darüber nachdenken zu müssen.
Ich glaube, daß die Möglichkeit eines operativen Vorgehens Druck mindern würde. Das Unerreichbare kann man sich ganz ungefährlich wünschen, das Erreichbare wird gründlicher bedacht, muss einfach gründlicher bedacht werden.
Sollte ich also unwahrscheinlicher Weise je in eine solche Situation kommen, würde sie sich irgendwann abzeichnen, wären die im Vorfeld zu erledigenden Überlegungen garantiert weitaus intensiver als alle zuvor rein theoretisch vorgenommenen; was für mich selbst ebenso gilt. Und da gibt es bereits Erfahrungen an beiden Enden der Skala. Dies mag dazu führen, daß ich die von Dir angesprochene Frage nicht so hoch hänge, ohne daß ich jetzt das Gefühl hätte, verantwortungslos zu sein.
Ich sagte, daß all diese Probleme eigentlich nur die selben von anderen unter dem Vergrößerungsglas sind. Z.B. Heiraten – wie weit klafft dort Theorie und Praxis auseinander, und wie intensiv wird das Nachdenken erst dann darüber, wenn es tatsächlich „ernst“ wird."

Wäre nicht also notwendig, um mehreren Möglichkeiten einer "Heilung" (von "BIID-weg" bis zu einem tragfähigen Arrangement) eine ernsthafte Chance einzuräumen, realiter alle denkbaren Wege zu eröffnen?
Oder anders gefragt: Muß das wirklich sein, daß man erst dann über einen Weg nachdenken darf, wenn ein anderer nachgewiesenermaßen definitiv nicht geht? Welche Herangehensweise muß denn einer anderen etwas beweisen?

Viele Grüße von Phorus
Phil

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 795Beitrag Phil »

Lieber Phorus,

ich sehe das auch so: Jetzt fantasiere ich herum und sehne mich. Wenn es ernst wird, wird es ernst. Allerdings kann ich mich manchmal schon ein bisschen ernster mit der Sache auseinandersetzen, und manchmal theoretisiere ich nur so rum - oder träume herum.

Ich kenne ein paar Leute, die haben es gemacht/machen lassen. Manche hatten kurz vorher noch mal einen "Anfall" von Zweifel, waren dann aber ganz sicher, dass es der richtige Weg ist. Bereut hat es noch keiner. Es soll auch schon jemand kurz vor der Operation abgesprungen sein.

Die Frage, was man "nachweisen" muss, damit man "es" machen (lassen) "darf", ist gut. Auf die läuft ein großer Teil der Diskussion hinaus.

Bei Transsexualität verlangt man:
- Psychotherapie bzw. psychiatrisch-psychotherapeutische Begleitung / Behandlung, um die Diagnose zu sichern und andere Probleme zu erkennen, auszuschließen oder anzugehen (1 1/2 bis 2 Jahre lang)
- Alltagserprobung/Praxistest (ca. 1 bis 1 1/2 Jahre vollständig in der Rolle des anderen Geschlechts leben, mit Begleitung durch Therapeuten, die das auch dokumentieren)
(siehe z.B. http://www.transsexuell.de/med-pichlo.shtml#Leitlinien)

Es gibt wohl auch sehr selten den Wunsch von Transsexuellen, wieder in das ursprüngliche biologische Geschlecht zurückzukehren. Das will man eben möglichst vermeiden. Deshalb die gründliche Prüfung. Aber letztendlich kann man diese Behandlungsleitlinien auch in Frage stellen.

Was müsste man von jemanden mit BIID verlangen als Vorbereitung? Bringt uns ein schematisches Vorgehen überhaupt was?

Wie fällt man sonst im Leben so wichtige, irreversible Entscheidungen?

Liebe Grüsse
Phil


P.S.: Auf www.transsexuell.de ist dieser interessante Artikel verlinkt:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/p ... ml?_skip=0
über einen Mann, der eine Frau sein wollte, jetzt aber wieder gerne ein Mann ist.
Gab es ähnliche Fälle auch bei Leuten mit BIID?
Wir wissen ja noch nicht mal genau, was BIID ist. Wie grenzt es sich von Devotee-Sein und Pretenden ab? Gibt es nicht auch viele Menschen, die es reizt, mit dem Gedanken zu spielen, die es aber nie tun würden? Wir sollten eigentlich viel mehr mit denen sprechen, um zu sehen, welche "Ränder" das Phänomen BIID hat. An den Rändern lernt man oft am meisten (auch über sich selbst).
handinumber
Beiträge: 751
Registriert: Mi 8. Dez 2010, 19:08

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 797Beitrag handinumber »

[quote="phil"]
Die Frage, was man "nachweisen" muss, damit man "es" machen (lassen) "darf", ist gut. Auf die läuft ein großer Teil der Diskussion hinaus.

Bei Transsexualität verlangt man:
- Psychotherapie bzw. psychiatrisch-psychotherapeutische Begleitung / Behandlung, um die Diagnose zu sichern und andere Probleme zu erkennen, auszuschließen oder anzugehen (1 1/2 bis 2 Jahre lang)
- Alltagserprobung/Praxistest (ca. 1 bis 1 1/2 Jahre vollständig in der Rolle des anderen Geschlechts leben, mit Begleitung durch Therapeuten, die das auch dokumentieren)
(siehe z.B. http://www.transsexuell.de/med-pichlo.shtml#Leitlinien)


Was müsste man von jemanden mit BIID verlangen als Vorbereitung? Bringt uns ein schematisches Vorgehen überhaupt was?
[quote]

Hallo Phil, hallo @all

Die zwei Schritte "psychotherapeutische Begleitung" und "Praxistest" sollten einer endgültigen Anpassung auf jeden Fall vorausgehen. Zu allererst sollten sich BIID-Betroffene aber bei einem BIID-Experten untersuchen lassen. Dazu dienen die Methoden, die viele von uns bereits hinter sich haben. Die Feststellung von BIID müsste dann per Gutachten schriftlich fixiert sein. Von mir aus könnte man unabhängig noch ein zweites Gutachten von einem weiteren Experten anfertigen lassen. Kommen beide zum gleichen Ergebnis, steht für den BIID-Betroffenen die nächste Entscheidung an, ob er sich einem Alltagstest / Praxistest stellen will.
Ein Praxistest für Paraplegiker-BIID ist sicher leichter durchführbar (z.B. Botox-Spritzen - Dazu wäre ich sofort bereit).
Bei festgestelltem Amputationswunsch ist ein Praxistest natürlich schwieriger zu simulieren. Auf Probe mal schnell amputieren geht nicht. Auch haben wir Menschen keine Reissverschlüsse an den Beinen, mit denen man z.B. Hosenbeine zeitweise entfernen kann. (Eidechsen haben es da besser. :D Bei Gefahr können sie einfach einen Teil ihres Schwanzes verlieren.)
Am Ende des Praxistestes wünsche ich mir als BIID-Paraplegiker nochmals eine eingehende Untersuchung. Dem sollte eine 30-tägige Bedenkzeit für den Kandidaten folgen. Sollte der BIID-Kandidat in einer festen Partnerschaft leben, sollte auch der / die Lebenspartner(in) miteinbezogen werden. Sind diese Schritte alle erfolgt, sollte dann der BIID-Betroffene seine schriftliche Entscheidung dem behandelnden BIID-Experten mitteilen. Dieser wiederum bestätigt durch seine Unterschrift, dass alle Entscheidungsphasen durchlaufen wurden und teilt dies der entsprechenden Klinik und Krankenkasse mit. Nach der Operation durchläuft der Operierte den üblichen Rehaweg.

Was haltet Ihr davon? Was müsste ergänzt werden?
anna
Beiträge: 31
Registriert: Di 7. Dez 2010, 09:52

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 800Beitrag anna »

der anfang fehlt. die anerkennung von BIID als krankheit. BIID muss erstmal in die entsprechenden klassifikationssysteme eingehen, in das DSM-IV oder die ICD 10. ohne anerkanntes krankheitsbild keine legale OP- indikation und erst recht keine OP.
ich ärgere mich zunehmend über die aggression den "bösen ärzten" gegenüber, die ja laut meinung vieler hier einfach nicht helfen wollen obwohl sie könnten.
warum um alles in der welt sollte ein arzt respektive chirurg, der sich in einem rechtlich abgesicherten rahmen befindet, z. B. eine amputation NICHT durchführen wollen? wenn er keine rechtlichen konsequenzen seitens der klinik, der verwaltung, der ethik-kommission, der ärztekammer, der krankenkassen, der justiz an sich zu befürchten hätte? sehr wahrscheinlich gäbe es welche, die, bei aller legalität, auch dann nicht amputieren würden. die sich aus persönlicher überzeugung heraus weigern würden, und weil sie es nicht mit ihrem gewissen oder sonst was vereinbaren könnten. klar gäbe es die. es gäbe aber 100%ig auch die anderen, die es tun würden.
hat hier schon mal jemand die indikation zu einer OP gestellt? weiß hier jemand, wie das ist, wenn sich ein anderer mensch in die eigene verantwortung übergibt?
und entgegen der meinung einiger hier, ist es einfach nicht möglich, in einem krankenhaus unbemerkt mal eben so eine amputation durchzuführen. es wird alles dokumentiert, muss alles transparent sein. einfach mal z. B. KTQ, Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus googlen..."unbemerkt" müßten ganz schön viele leute ihren mund halten...
wer mir nicht glaubt- einfach mal ein praktikum im krankenhaus machen...
und auch wer glaubt eine spinale oder periduale anästhesie wenigstens sei doch eine ungefährliche "anwendung", einfach mal nachfolgende risiken lesen. alles schon gesehen- bis zum reanimationspflichtigen herzstillstand..

Allgemeine Nebenwirkungen und Komplikationen:

•sehr selten Atemstörung bzw. Übelkeit und Erbrechen bedingt durch die Anwendung von Schmerzmitteln (Opioiden), die im Allgemeinen keiner Behandlung bedürfen und nach einiger Zeit von selbst verschwinden bzw. gut behandelt werden können;

•gelegentlich Blutergüsse im Bereich der Einstichstellen von Kanülen, Kathetern und/oder deren Umgebung oder Missempfindungen durch eine Verletzung von Hautnerven. Sie sind meist harmlos und verschwinden nach einiger Zeit von selbst bzw. können gut behandelt werden;

•Haut- und Weichteilschäden (Spritzenabszess, Absterben von Gewebe, Nerven- und Venenreizungen) infolge von Einspritzungen/Blutentnahme, die gut behandelbar sind. Sie können jedoch in ungünstigen Fällen langandauernde Beschwerden (Narben, Schmerzen) zur Folge haben;

•Infektionen im Bereich der Einstichstellen der Haut und im Verlauf des Katheters (wenn er zur fortlaufenden Behandlung verbleibt) sowie Entzündungen der punktierten Vene (Phlebitis), die meist medikamentös gut beherrschbar sind. Extrem selten können Bakterien in die Blutbahn gelangen (Bakteriämie) und zur allgemeinen Infektion mit lebensbedrohlicher Blutvergiftung (Sepsis) oder Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis) führen. Eine intensivmedizinische Behandlung kann dann notwendig werden;

•selten leichtere allergische Reaktionen (Überempfind-lichkeitsreaktionen) gegen das Betäubungsmittel und andere Medikamente, die sich z.B. als Brechreiz, Juckreiz oder Hautausschlag äußern und in den meisten Fällen von selbst wieder abklingen bzw. gut behandelt werden können;

•sehr selten schwere allergische Reaktionen mit Schleimhautschwellung im Kehlkopf, Herz- und Kreislaufversagen (Schock), Atemstörungen und Krämpfen, die lebensbedrohlich sein können, eine intensivmedizinische Behandlung erfordern und ggf. durch Mangeldurchblutung zu bleibenden Organschäden (z.B. Hirnschaden, Nierenversagen) führen können;

•äußerst selten Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) und Gefäßverschluss (Embolien) durch Verschleppung von Gerinnseln z.B. in Hirn oder Lunge (Lungenembolie, Schlaganfall). Mangeldurchblutung und Organschäden können die Folgen sein, die u.U. dauerhaft verbleiben und/oder lebensbedrohlich sein können. Weitere Behandlungsmaßnahmen können dann notwendig werden. Sofern Medikamente zur Beeinflussung der Blutgerinnung verabreicht werden (Thrombosevorbeugung), kann es zu einer erhöhten Blutungsneigung (z.B. Blutergüsse) kommen.

Spezielle Nebenwirkungen und ernste Komplikationen:

•gelegentlich vorübergehender Blutdruck- und Pulsabfall insbesondere bei der Spinalanästhesie, die eventuell medikamentös behandelt werden müssen;

•gelegentlich Kopfschmerzen, Brechreiz, Schwindel, Hör- und Sehstörungen insbesondere nach einer Spinalanästhesie, die in aller Regel nach einiger Zeit mit medikamentöser Unterstützung von selbst wieder abklingen. Sie können aber auch länger andauern und eine erneute Punktion mit Einspritzung eines Medikaments (Blutpatch) am Punktionsort notwendig machen;

•gelegentlich starke Rückenschmerzen, die plötzlich nach einer Spinalanästhesie auftreten und über mehrere Tage anhalten können (TNS-Syndrom). Sie sind jedoch meist medikamentös gut behandelbar;

•sehr selten Verletzung und Schädigung von Nervenstämmen durch Injektionsnadeln, Blutergüsse, Infektionen oder durch die verabreichten Medikamente, die eine dauerhafte Störung der betroffenen Nerven (z.B. schmerzhafte Missempfindungen, Bewegungsstörungen, Schmerzen, dauerhafte Funktionsstörungen der betroffenen Organe und Gliedmaßen) zur Folge haben können;

•in Einzelfällen Verletzung des Rippenfells infolge der Einspritzung des Schmerzmittels im Bereich der Brustwirbelsäule, wodurch Luft in die Brusthöhle eindringen kann (Pneumothorax). Die Lungenfunktion kann dadurch vorübergehend oder in sehr seltenen Fällen dauerhaft geschädigt werden. Atemstörungen können die mögliche Folge sein. Eine Absaugung der Luft aus der Brusthöhle (Drainage) kann dann notwendig werden;

•sehr selten Einblutung und Bluterguss (Hämatom) in den Spinal-/Periduralraum während der Punktion bzw. bei Einführung oder Entfernung des Katheters. Schmerzen, Gefühlsstörungen in den Beinen, Blasen-/Mastdarmstörungen oder eine Querschnittslähmung können die Folgen sein. Diese können in sehr seltenen Fällen auch dauerhaft sein. Ein operativer Entlastungseingriff kann dann notwendig werden;

•sehr selten Herz- und Kreislaufversagen mit Atemstörungen und Krämpfen bei Übertritt des Betäubungsmittels in die Blutbahn oder zu rascher Aufnahme des Medikamentes. Um bleibenden Schäden (z.B. des Hirns) vorzubeugen, ist dann eine intensivmedizinische Behandlung notwendig;

•äußerst selten Infektion des Rückenmarksraumes mit Bildung von Abszessen, Hirnhautentzündung (Meningitis) mit der möglichen Folge vorübergehender oder dauerhafter Nerven- oder Hirnschäden;

•äußerst selten Störungen der Blasenentleerung und der Mastdarmfunktion (Durchfall), die eine vorübergehende Blasenkatheterisierung und andere Maßnahmen notwendig machen können. Diese Störungen sind in aller Regel harmlos und verschwinden nach kurzer Zeit wieder von selbst;

•äußerst selten versehentliche Verletzung des Rückenmarks, die zu dauerhaften Funktionsstörungen der betroffenen Nervenstämme sowie der von ihnen versorgten Organe einschließlich einer evtl. Querschnittslähmung führen können;

•äußerst selten Verletzung größerer Blutgefäße durch die Injektionsnadel, die anhaltende Blutungen, Blutergüsse sowie Infektion und Thrombose/Embolie zur Folge haben kann. Dadurch kann es zu Schädigungen benachbarter Gewebe kommen. Eine Nachbehandlung - evtl. auch operativ - kann dann notwendig werden;

•äußerst selten Lähmung der Körpermuskulatur bis zur hohen Querschnittslähmung mit Bewusstseinsverlust, Kreislaufstörungen und Atemversagen durch unvorhersehbar hohe Ausbreitung des Betäubungsmittels bei der Spinalanästhesie oder durch die unbeabsichtigte Injektion des Mittels in den Spinalraum bei der Periduralanästhesie. In aller Regel ist dann eine kurzfristige intensivmedizinische Behandlung bis zum Abklingen der Betäubung nötig.
BiCur
Beiträge: 177
Registriert: Fr 10. Dez 2010, 22:56

Re: Gesprächskiller

Beitrag: # 801Beitrag BiCur »

@Phil:
Erfolgreich abgeschlossene Arbeiten, Reisen in ferne Länder, erreichte Bildungsabschlüsse, all das war nach dem Erreichen dann nur vorübergehend schön.

Das schwule Coming-Out war für mich eine große Befreiung, mit dem anderen gar nicht zu vergleichen. Nach vielen Jahren war es dann auch nicht mehr so toll und neu.
Genau das meinte ich ja mit meiner Frage zu: "... erfolgreich realisierter "Lebensträume" und "Visionen" auch bei Prominenten, von denen man aber auch nicht immer so genau weiß, ob man sie am Ende dann bewundern, beneiden oder bemitleiden soll, dass sie "ihr Ziel" nun schließlich erreicht haben ..."
Die "prominenten Beispiele" habe ich nur gewählt, weil sie wohl fast jeder kennt!
Ich kenne niemanden, der seinen BIID-Lebenstraum verwirklicht hat und es dann bereut hat oder der die Schattenseiten zu stark zu spüren bekommen hat.
Und Leute, die ihr BIID weg haben, weil ein Bein weg ist, sind noch nach Jahren ganz glücklich und befreit und erleichtert, wie eben auch Transsexuelle.

Leider gibt es aber noch keine Langzeitstudien, und ich kenne auch nur wenige Menschen, die schon einige Jahre amputiert sind.
Kennst du noch die alte, erste Yahoo!Group "Amputee-by-Choice" ... und "Karen Downs", die dort von der langen Sehnsucht bis zur Verwirklichung mit Trockeneis zur DAK und der ganzen Erfahrung danach, einschließlich anschließender Psychotherapie und daraus folgender Erkenntnisse etc. berichtet hat ...?
Kennst du den Fall von Carl, ebenfalls DAK im Rollstuhl, der hinterher auch zur zeitweiligen Erkenntnis kam "What the hell was I thinking ...?!"
Kennst du den Fall von Josef Kirchner, dem operierten Transsexuellen, der später alles gerne rückgängig gemacht hätte und zum Aktivisten GEGEN Transgender-OPs wurde ...?

Man findet sowohl im Netz als auch im Leben immer das wonach man sucht, die menschliche Wahrnehmung ist erstaunlich subjektiv, selektiv und geprägt von sogenannten "Projektionen" ...

LG, BiCur
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