Vorstellung QSL + Kurzsichtigkeit
Verfasst: Fr 13. Okt 2017, 17:14
Seit einigen Jahren als stiller Mitleser habe ich mich nun entschlossen, mich auch vorzustellen.
Als Kind bereits (soweit ich mich erinnere schon in der Grundschule) hatte ich den Wunsch, stark kurzsichtig zu sein und eine Brille tragen zu müssen. Auch fühlte ich mich extrem angezogen, wenn ich eine/n Rollstuhlfahrer/in sah. Ich habe Menschen, die so waren, beneidet, aber mir darüber nie großartig Gedanken gemacht, da es keinen wirklichen Leidensdruck gab.
Als Teenager bekam ich eine Brille, ein Teil meiner Wünsche realisierte sich, jedoche sehnte und sehne ich mich nach immer höherer Kurzsichtigkeit. Eine Mitschülerin, die im Rollstuhl saß, beneidete ich, ohne aber zu verstehen, aus welchem Grund. Ich vermutete damals, es habe mit ihrem Anderssein zu tun, eine Wahrnehmung vielleicht, die viele Menschen haben, wenn sie eine behinderte Person sehen und sich fragen, wie das Leben als Behinderte/r wohl wäre.
Es mussten erst viele weitere Jahre vergehen, bis es in mir zu Klarheit kam: ich möchte querschnittsgelähmt sein und weiß mittlerweile sehr genau, dass es ein Querschnitt auf Th11 sein sollte, ich spüre die Stelle, an der Bewegung und Sensibilität enden sollen, millimetergenau. Kein Tag vergeht, an dem ich mir nicht vorstelle, wie es wäre, kein Tag, an dem ich nicht die Konsquenzen durchspiele, abwäge, mich frage, ob ich - gäbe es die Möglichkeit, meinen Wunsch in die Tat umzusetzen - auch den Mut hätte, es zu tun. Mir sind die Folgen klar, in unzähligen Stunden habe ich mich genau informiert, kenne Komplikationen, Einschränkungen, Hilfsmittel und Möglichkeiten.
Nachdem ich meinen Wunsch nach stärkerer Kurzsichtigkeit (mit Kontaklinsen unter einer stärkeren Brille) bereits ausleben kann und weiß, wie wohl ich mich dabei fühle, konnte ich kürzlich auch einen für mich genau passenden Rollstuhl nutzen, zuerst zu Hause, dann in der Öffentlichkeit. Es war wie eine Offenbarung: ja, das ist richtig! Ja, so will ich sein! Oder noch besser: so bin ich. Genauso gelingt es mir, mir in bestimmter Weise zu setzen, so dass ein Bein für kurze Zeit so einschläft, dass weder Gefühl noch Bewegung möglich sind, der Blick auf meinen eigenen Fuß, die Unfähigkeit ihn zu spüren oder zu bewegen, zeigt mir genau: so sollte es sein, so ist es richtig.
Verrückt fühle ich mich nicht, mir ist klar, wieviele Spielarten der subjektiven Wahrnehmung das Leben bereithalten kann, dennoch habe ich noch nie jemandem davon erzählt und frage mich natürlich auch, warum ich wohl so bin, obgleich mir eine Antwort darauf kaum weiterhelfen würde. Der Leidensdruck wird größer, die Gedanken kreisen immer mehr um dieses Thema, es wird schwieriger, es in den Hintergrund zu drängen. Ich phantasiere, auf welche Weise der Querschnitt bei mir eintreten könnte, hoffe, es könnte wie auch meine Kurzsichtigkeit eines Tags wahr werden.
Erst im Rückblick, auch beim Lesen einiger Beiträge hier, wurde mir klar, dass ich mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein bin auf der Welt, war überrascht, um ehrlich zu sein. Trotzdem, nur ein kleiner Trost.
Viele Grüße,
Sciqsl
Als Kind bereits (soweit ich mich erinnere schon in der Grundschule) hatte ich den Wunsch, stark kurzsichtig zu sein und eine Brille tragen zu müssen. Auch fühlte ich mich extrem angezogen, wenn ich eine/n Rollstuhlfahrer/in sah. Ich habe Menschen, die so waren, beneidet, aber mir darüber nie großartig Gedanken gemacht, da es keinen wirklichen Leidensdruck gab.
Als Teenager bekam ich eine Brille, ein Teil meiner Wünsche realisierte sich, jedoche sehnte und sehne ich mich nach immer höherer Kurzsichtigkeit. Eine Mitschülerin, die im Rollstuhl saß, beneidete ich, ohne aber zu verstehen, aus welchem Grund. Ich vermutete damals, es habe mit ihrem Anderssein zu tun, eine Wahrnehmung vielleicht, die viele Menschen haben, wenn sie eine behinderte Person sehen und sich fragen, wie das Leben als Behinderte/r wohl wäre.
Es mussten erst viele weitere Jahre vergehen, bis es in mir zu Klarheit kam: ich möchte querschnittsgelähmt sein und weiß mittlerweile sehr genau, dass es ein Querschnitt auf Th11 sein sollte, ich spüre die Stelle, an der Bewegung und Sensibilität enden sollen, millimetergenau. Kein Tag vergeht, an dem ich mir nicht vorstelle, wie es wäre, kein Tag, an dem ich nicht die Konsquenzen durchspiele, abwäge, mich frage, ob ich - gäbe es die Möglichkeit, meinen Wunsch in die Tat umzusetzen - auch den Mut hätte, es zu tun. Mir sind die Folgen klar, in unzähligen Stunden habe ich mich genau informiert, kenne Komplikationen, Einschränkungen, Hilfsmittel und Möglichkeiten.
Nachdem ich meinen Wunsch nach stärkerer Kurzsichtigkeit (mit Kontaklinsen unter einer stärkeren Brille) bereits ausleben kann und weiß, wie wohl ich mich dabei fühle, konnte ich kürzlich auch einen für mich genau passenden Rollstuhl nutzen, zuerst zu Hause, dann in der Öffentlichkeit. Es war wie eine Offenbarung: ja, das ist richtig! Ja, so will ich sein! Oder noch besser: so bin ich. Genauso gelingt es mir, mir in bestimmter Weise zu setzen, so dass ein Bein für kurze Zeit so einschläft, dass weder Gefühl noch Bewegung möglich sind, der Blick auf meinen eigenen Fuß, die Unfähigkeit ihn zu spüren oder zu bewegen, zeigt mir genau: so sollte es sein, so ist es richtig.
Verrückt fühle ich mich nicht, mir ist klar, wieviele Spielarten der subjektiven Wahrnehmung das Leben bereithalten kann, dennoch habe ich noch nie jemandem davon erzählt und frage mich natürlich auch, warum ich wohl so bin, obgleich mir eine Antwort darauf kaum weiterhelfen würde. Der Leidensdruck wird größer, die Gedanken kreisen immer mehr um dieses Thema, es wird schwieriger, es in den Hintergrund zu drängen. Ich phantasiere, auf welche Weise der Querschnitt bei mir eintreten könnte, hoffe, es könnte wie auch meine Kurzsichtigkeit eines Tags wahr werden.
Erst im Rückblick, auch beim Lesen einiger Beiträge hier, wurde mir klar, dass ich mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein bin auf der Welt, war überrascht, um ehrlich zu sein. Trotzdem, nur ein kleiner Trost.
Viele Grüße,
Sciqsl